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Ford Country Squire (1965)

Cooler Kombi mit Holz-Dekor, V8 und Platz für 9

Lange bevor SUV die amerikanischen Vorstädte eroberten, war der Kombi das Auto der Wahl für Familien – und keiner verkörperte diese Rolle so ikonisch wie der Ford Country Squire. Mit seinem markanten "Woodie"-Dekor, einem sanft grollenden V8 und Platz für halbe Baseballteams ist er ein rollendes Sinnbild des US-Lebensgefühls der 60er-Jahre. Heute ist der Country Squire nicht nur ein Klassiker, sondern ein Erinnerungsstück an eine Zeit, in der Reisen noch nach Freiheit klang. Eine Hommage an einen Kombi, der mehr konnte als nur den Wocheneinkauf.

Foto: Sven Wedemeyer 19 Bilder

Lange bevor die SUV-Flut über die USA hereinbrach, waren Kombis das Maß der Dinge, wenn es um Vielseitigkeit und Praktikabilität ging. Doch noch in den 60er-Jahren haftete den flugzeugträgergroßen Sechs- bis Neunsitzern das Image des Family-Carriers, also des Familienfrachters oder Grocery-Haulers, wörtlich übersetzt Lebensmitteltransporter, an. Kein Image also, mit dem sich ein Familienvater vor seinen Arbeitskollegen hätte brüsten können. Es sei denn, man pflanzte einen kräftigen V8 in den Vorderwagen und rüstete den Kombi mit all den Annehmlichkeiten aus, die sich das Familienoberhaupt auch in einem Personal Luxury Coupé gewünscht hätte.

Klimaanlage, elektrische Fensterheber, Automatikgetriebe, Bremskraftverstärker und auf Wunsch Scheibenbremsen vorne gehörten zum guten Ton und sollten Käufer überzeugen. Aber auch die Werbe-Profis der großen drei Hersteller wussten, wie sie vor allem Männer ansprechen mussten, damit diese Lust auf einen Kombi bekamen. Ford warb mit dem Slogan "A whole World of Utility" ("Eine ganze Welt der Nützlichkeit") und zeigte, dass ein Ruderboot durch die Heckklappe passte, mit dem man zum Angeln fahren konnte. Und für all die Wagon-Wifes – ja, so hat Ford 1970 Mütter in seiner Werbung für den Country Squire angesprochen – durften natürlich Kinder in den Clips nicht fehlen.

Foto: Sven Wedemeyer

Mehr US-Flair geht nicht als mit einem Ford Country Squire.

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Wie man an einen seltenen Woodie kommt

Peter Pfaff und Jörg Wode von California Cars and Trucks aus Bremen-Nord braucht man mit Werbespots nicht mehr von der Coolness eines Kombi zu überzeugen. Die beiden US-Car-Profis haben in ihrem Leben schon viele besessen und zu schätzen gelernt, sodass ein großer amerikanischer V8-Kombi nur eine Frage der Zeit und des passenden Angebots war – denn gut erhaltene Exemplare sind mittlerweile rar.

Dass Peter Pfaff an einen Country Squire in hervorragendem Zustand kam, war glückliche Fügung: "Ich habe den Ford in einem Internet-Inserat entdeckt und direkt unseren Scout angerufen, der für California Cars and Trucks Klassiker in den Staaten besichtigt, damit er sich den auf jeden Fall anschaut", erinnert er sich. Der Scout schickte ihm dann ein Video vom Auto mit der klaren Empfehlung: Kaufen! Allerdings war schon vorher ein weiterer Scout für einen Importeur aus Neuseeland an dem Auto interessiert gewesen und gerade auf dem Weg zur Bank. "Zum Glück hatte unser Mann das Geld schon in der Tasche und sich den Kombi direkt gesichert", lacht Peter. "Ja, Autos aus den Vereinigten Staaten zu holen, ist echt ein hartes Geschäft, das mussten auch wir schon schmerzlich erfahren."

Foto: Sven Wedemeyer

Im Kofferraum lassen sich zwei zusätzliche Sitze für Kinder ausklappen.

Wie die Holzoptik ans Auto kommt

Beim stattlichen Ford fällt einem als Erstes die Holzoptik auf, die beide Flanken ziert. Dieses "Fake Woodie"-Design-Element findet man bei allen drei großen US-Auto-Konzernen bis in die 90er-Jahre, in erster Linie bei Kombis. Es ist eine Hommage an die Wagons der 30er- und 40er-Jahre, als die Passagier-Kabine meistens aus Hartholz konstruiert war. Ab den 60er-Jahren verwendete man allerdings Vinylplatten und Folie, um den beliebten Holz-Look zu simulieren.

Wenn einem dieser Kombi im Rückspiegel erscheint, starrt einem die massive Chrommaske mit den übereinander angeordneten Doppelscheinwerfern samt ihren aggressiv nach vorn gezogenen Umrandungen bedrohlich in die Augen. Ein Auftritt, der Eindruck hinterlässt.

Wie der Ford Country Squire fährt

Als wir jedoch den 5,8-Liter-V8 aus Fords FE-Familie anlassen, wirkt der schwere Kombi plötzlich ganz sanft. Leise säuselt der Medium-Block vor sich hin. "Ich mag’s lieber original", erklärt Peter. "Ich brauche keine laute Flowmaster-Abgasanlage unter dem Auto. Aus dem Alter bin ich raus", lacht der 54-Jährige. Hinter dem Steuer des Country Squire sinken wir in die weiche, vinylbezogene Sitzbank. Das Raumgefühl im üppigen Innenraum mit den riesigen Fensterflächen ist beeindruckend großzügig. Die Augen suchen das eher schlicht und funktional gestaltete Armaturenbrett ab und verharren schließlich auf dem Wählhebel für die Dreistufenautomatik hinter dem Lenkrad.

Geschmeidig rutscht der Hebel in die Fahrstufe "Drive", und das fast zwei Tonnen schwere Auto setzt sich in Bewegung. Als wir das Gaspedal vorsichtig nach vorne drücken, lässt der V8 sofort von sich hören. Kräftig blubbernd schiebt er uns nach vorne. Das Fahrwerk hält die Unebenheiten der Straße genauso souverän von uns fern wie die Ami-typisch leichtgängige Servolenkung. Wir scheinen über die Straße zu schweben – ein entspannendes Gefühl.

Foto: Sven Wedemeyer

Der Innenraum ist schlicht designed.

Es geht nichts über Achtzylinder

Mit seinen rund 254 SAE-PS ist der gusseiserne Motor nicht wirklich sportlich, zeigt sich aber auch nicht überfordert mit der schweren Fuhre. Das passt gut zusammen. Amerikanische Kombis der 60er-Jahre umgibt eine Aura, die man bei modernen Autos kaum finden kann. Man sieht den großen Ford, das Gepäckgitter auf dem Dach, die vier sich gegenüber liegenden Kindersitze im Kofferraum, und man hat direkt vor Augen, wie es gewesen sein muss, im Sommer mit der ganzen Familie in diesem Auto an den See oder in den Urlaub nach Kanada zu fahren. Im Radio läuft "Satisfaction" von den Stones oder "My Girl" von The Temptations, draußen huschen hochgewachsene Pinien an den Fenstern vorbei, und ab und an auch eine Texaco-Tankstelle.

Ein bisschen kitschig? Vielleicht. Aber das ist genau das Lebensgefühl, das so viele Menschen mit den faszinierenden Full-Size-Station-Wagons verbinden, selbst wenn sie sie nur in amerikanischen Filmen gesehen haben.

Technische Daten Ford Country Squire (1965–1968)

Motor V8 aus Fords FE-Serie, wassergekühlt, 90°-Bankwinkel, vorn längs eingebaut, Bohrung × Hub 101,6 × 88,9 mm, Hubraum 5.766 cm³, Leistung 254 SAE-PS bei 4.400/min, maximales Drehmoment 477 Nm (SAE) bei 2.800/min, Verdichtung 9,3 : 1, Zwei Ventile pro Zylinder, zentral untenliegende, kettengetriebene Nockenwelle mit Stoßstangen und Kipphebeln, Motorblock und Zylinderköpfe aus Grauguss, fünf Kurbelwellenlager, Gemischaufbereitung über Holley-Zweifachvergaser (2-barrel), Ölfüllmenge 5,7 Liter.

Kraftübertragung Hinterradantrieb, Dreistufenautomatik Ford C4 mit Drehmomentwandler oder 3-Gang-Schaltgetriebe

Karosserie und Fahrwerk Kastenrahmen mit Querträgern, vorne: obere Trapez- und untere Querlenker mit elastisch gelagerter Zugstrebe, Teleskopstoßdämpfer, hinten: Starrachse mit Schraubenfedern, Querblattfeder-Abstützung, Längslenker, obere Drehmomentstütze und Panhardstab, ebenfalls Teleskopstoßdämpfer, Kugelumlauflenkung, Zweikreis-Trommelbremsen (Kelsey Hayes), auf Wunsch mit Bremskraftverstärker, Reifengröße 8.45–15

Maße und Gewichte Radstand 3.025 mm, Länge × Breite × Höhe 5.450 × 2.005 × 1.445 mm, Leergewicht ca. 1.945 kg, Tankinhalt 76 Liter

Fahrleistungen und Verbrauch Höchstgeschwindigkeit 181 km/h, 0–100 km/h 10,6 s, Verbrauch ca. 22 l/100 km

Bauzeit und Stückzahl 1965 bis 1968, insgesamt 291.802 Exemplare gebaut

Foto: Sven Wedemeyer

Echtes Roadtrip-Flair im 1965er Ford Country Squire

Karosserie-Check

Auch Ford der 60er-Jahre haben potenziell überall mit Rost zu kämpfen. Vor allem sollte man sich den Rahmen und den Unterboden anschauen. Darüber hinaus kann die braune Pest an allen Fensterrahmen, Radläufen, Türunterkanten und an der Heckklappe auftauchen. Im Motorraum ist nicht selten die Batterieaufnahme betroffen. Chromzierteile sollten sich in einem guten Zustand befinden, denn das Neuverchromen ist sehr teuer, wenn man überhaupt noch einen Betrieb findet, der solche Arbeiten durchführt. Die Vinylplatten, die die Holzoptik simulieren, dürfen sicherlich Patina haben, sollten aber nicht stärker beschädigt sein. Ersatz ist dafür nur sehr schwer aufzutreiben.

Technik-Check

Technisch ist die Ford-Full-Size-Familie rund um Galaxie, LTD und Co. sehr robust und langlebig. Der große Kombi war mit einem 3,9-Liter-Reihensechszylinder und V8-Motoren mit 4,7, 5,8 oder 6,4 Litern Hubraum erhältlich. Wobei man vor allem nach den beiden letztgenannten Motoren Ausschau halten sollte – die halten ewig. Als moderate Schwachstellen gelten die Lenkung sowie alle vier Trommelbremsen. Auch auf verrottete Brems- und Kraftstoffleitungen sollte man achten. Der Lichtschalter kann wegen Überhitzung zum Ausfall der Scheinwerfer führen.

Preise

Bei Einführung 1964 (Ford LTD Country Squire) :
3150 Dollar

Ersatzteile

Die 5,8-Liter-FE-Motoren waren Fords Brot-und-Butter-V8, entsprechend einfach kommt man an Ersatz- oder Tuningteile heran. Bleche, Chrom- oder Holzoptik-Zierrat sind, abhängig vom Modelljahr, teilweise nicht mal für viel Geld zu bekommen. Auch beim Interieur muss man das Glück haben, gut erhaltene Gebrauchtteile zu finden.

Schwachpunkte

  1. Kastenrahmen
  2. Unterboden
  3. Fensterrahmen
  4. Heckklappe
  5. Radläufe
  6. Chromzierteile
  7. Holzoptik-Zierteile
  8. Lenkung
  9. Trommelbremsen
  10. Hitzeprobleme Lichtschalter
Ford Country Squire (1965)

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage