Jaguar XJS 4.0 im Fahrbericht

Ein XJS als Alltagsauto

Irgendwie scheint der Jaguar XJS aus dem Sichtfeld geraten zu sein. Wenn man schließlich einen entdeckt, fragt man sich, wie das eigentlich passieren konnte. Motor Klassik hat das 222 PS starke Coupé genauer unter die Lupe genommen.

Jaguar XJS Foto: Hardy Mutschler 10 Bilder

Ernsthaft interessiert sich Stefan Mayer nicht für Autos. Dafür hat der Geschäftsführer der Stuttgarter Firma Music Express (www.musicex.de) genau genommen auch gar keine Zeit. Konzerte und Events ausrichten, das ist sein Ding. Nächtelang über Autos reden, das überlässt er anderen - selbst wenn es sich bei den Gesprächen um seinen Jaguar XJS handeln sollte, den der Unternehmer seit fünf Jahren als Alltagsfahrzeug durch die schwäbische Metropole bewegt.

"Ich fand die Form einfach nur toll", rechtfertigt Mayer seinen Kauf und blickt auf das regennasse Jaguar XJS Coupé, das aus dem Jahr 1992 stammt. Breit und flach kauert es da auf dem Asphalt und sieht in Schwarz aus der Ferne mindestens so Furcht einflößend aus wie seinerzeit das Batmobil. Selbst als Ford als neuer Jaguar-Eigentümer 1991 unter der Regie von William Hayden aus dem XJ-S ein XJS machte und ein Facelift vollzog, blieben die ursprünglichen Proportionen des bereits 1975 präsentierten Coupés nahezu unangetastet.

Die Limousine gefiel besser als das Jaguar XJS Coupé

Jaguar XJS Coupé - das bedeutet: ein knappes Fahrerabteil zwischen endlos scheinender Motorhaube und langem Heck, dazu eine hohe Gürtellinie und bis zu den Rückleuchten gezogene C-Säulen mit darin versteckter Heckscheibe - traditionsbehaftete Fans zeigten sich damals von Malcoms Sayers eigenwilligem Entwurf, der von der italienischen Karosserieschmiede Vignale vollendet wurde, bestenfalls not amused. Schön war anders, die Limousine zum Beispiel, die nach wie vor ihre Hauptrolle als stilvoller Gleiter für die Besserverdienenden behauptete.

"Als Stefan mit diesem Auto ankam, dachte ich, das sei ein Mazda", gibt Freundin Anni Lichte dann auch unumwunden zu. Sie meint damit, dass sie das Jaguar XJS Coupé anfangs auch nicht wirklich toll fand. Selbstverständlich genießt sie inzwischen die Fahrten in dem auffälligen Auto. Und sie hat sich längst an die Blicke so mancher Passanten gewöhnt, die das Paar auf Grund des Image des Jaguars schon mal dem Rotlichtmilieu zuordnen. Wer es dort zu etwas gebracht hatte, demonstrierte dieses damals gern durch einen XJS vor der Tür. Das Coupé hat sich seitdem nie so richtig von seinem verruchten Ruf erholt und ist heute selbst im guten Zustand recht preiswert.

Bei der Sechszylinder-Version bleiben die Kosten überschaubar

Während bei den Jungs vom Kiez die seit Anfang an erhältliche Zwölfzylinder-Version des Jaguar XJ-S/XJS so obligatorisch wie die mit Brillanten besetzte Rolex am Handgelenk gewesen sein dürfte, gibt sich Stefan Mayer mit halb so vielen Töpfen zufrieden. Das 222 PS starke, komplett aus Leichtmetall gefertigte Aggregat mit vier Liter Hubraum stammt aus dem Jaguar XJ 40 und löste das seit 1983 montierte 3,6-Liter-Sechszylinder-Triebwerk ab. Der Motor gilt als ausgereift und hilft, die Kosten überschaubar zu halten. Die Viergang-Automatik, ein Extra, das einst 4.104 Mark Aufpreis gekostet hatte, ist für den Stuttgarter Besitzer Ehrensache.

Autotester sahen das bisweilen anders und empfahlen bei dieser Motorisierung eindeutig das Fünfganggetriebe. Weil einem sonst selbst so gewöhnliche Autos wie ein VW Corrado oder Opel Calibra im Antritt von null auf hundert um die Ohren fuhren. Solch pubertäre Spielchen hatte ein Jaguar XJS Coupé damals eigentlich gar nicht nötig.

Heute erst recht nicht, denn er tritt in einer vollkommen anderen Liga an, beansprucht klar die Rolle des Gentleman unter den Sportcoupés. Die feinen Ledersessel und das glänzende Wurzelholz sorgen für einen Hauch Clubatmosphäre, selbst wenn die Welt da draußen wie in diesem Moment unterzugehen droht. Fahrer und Beifahrer wohnen tief hinter einer vergleichsweise kleinen Frontscheibe und von einer mächtigen Mittelkonsole getrennt. Der Jaguar XJS Coupé vermittelt Intimität und Geborgenheit schon während der Sitzprobe.

Der Jaguar XJS kostete rund 100.000 Mark

Für dieses exklusive Ambiente waren inklusive der Kosten für die Zusatzausstattung wie Klimaanlage (5.016 Mark) oder Lederpolsterung (2.588 Mark) rund 100.000 Mark an Jaguar zu überweisen. Um die klassische Gesamtanmutung nicht zu gefährden, hielt man sich bei der Überarbeitung im Innenraum im Lauf der Jahre stark zurück.

Die Designer des Jaguar XJS Coupé beließen es unterm Strich bei einem neuen Bordcomputer, modifizierten Schaltern und vier zeitgemäßeren Rundinstrumenten neben Tacho und Drehzahlmesser anstelle der eigenwilligen Skalenwalzen für Öldruck, Wassertemperatur, Tankinhalt und Batteriespannung. Einige sachliche Mängel hätten sich dagegen gar nicht erst beheben lassen. Die Unübersichtlichkeit nach hinten zum Beispiel. Oder der Wendekreis von 14 Meter. Zum Rangieren peilt der Fahrer also besser einen möglichst leeren Parkplatz eines Einkaufszentrums an.

Spätestens wenn der Sechszylinder des Jaguar XJS Coupé anspringt und im Standgas leise vor sich hingrummelt, verzeiht man diesem Auto auf der Stelle etwaige Unpässlichkeiten. In Position D gleitet der Wagen mühelos davon, und schon im nächsten Moment schaltet die Automatik weich und nahezu ruckfrei hoch. Obwohl so ein Jaguar XJS Coupé mit 1.662 Kilo ein recht schwerer Brocken ist, muss sich der Motor nicht sonderlich anstrengen, läuft leise und vibrationsarm. Sportlich orientierte Fahrer mag er weniger. Bei durchgetretenem Pedal vergehen immer noch zehn Sekunden, bis Tempo 100 ansteht, und es ist zu spüren, dass das langhubig ausgelegte Triebwerk sich zwischen 2.000 und 4.000 Umdrehungen am wohlsten fühlt.

Die Paradedisziplin des Jaguar XJS ist Landstraßensurfen

Entspanntes Landstraßensurfen und rasches Gleiten über die Autobahn entpuppen sich als die Paradedisziplinen des Coupés mit seiner breiten Spur und dem langen Radstand. Doch selbst engagiert angegangene Kurven bringen einen Jaguar XJS Coupé lange Zeit nicht ernsthaft aus dem Gleichgewicht. 38 Jahre nach seiner Präsentation fällt es leicht, spontan diesem Coupé zu erliegen, das von keinem Winkel einer klassischen Schönheit gleicht. Dort, wo ein Jaguar XJS heute erscheint, markiert er dennoch mühelos sein Revier und garantiert jederzeit einen starken Auftritt.