Maserati Indy (1969-74) Fahrbericht und Kaufberatung

Wieviel Mut braucht es für das Viersitzer-Coupé?

Der erste Maserati Indy wurde vor 50 Jahren ausgeliefert. Doch wie fährt das Viersitzer-Coupé und was sind die Schwachstellen?

Maserati Indy 4700 (1970) Foto: Maserati 14 Bilder

Braucht man wirklich acht Zylinder, 4,2 Liter Hubraum, vier Nockenwellen und vier Weber-Doppelvergaser, um ein 1670 Kilogramm schweres und 4,7 Meter langes Automobil in rund acht Sekunden von Null auf Hundert zu beschleunigen? Wohl nicht. Heute reicht dafür ein High-Tech-Diesel. Und 1969, als der Indy präsentiert wurde, tat es schon ein amerikanischerGroßserien-V8 – mit nur einer zentralen Nockenwelle und etwas mehr Hubraum.

Eine Frage des Stils

Es ist einfach eine Frage des Stils. Können Sie sich einen Maserati vorstellen, unter dessen Haube ein Graugußmotor mit der konstruktiven Eleganz eines Notstromaggregats sitzt, und der beim Gas geben so klingt wie ein wild gewordener Pick-up-Truck mit verrosteten Schalldämpfern? Eben.

Die letzten Zweifel am tieferen Sinn der leichtmetallenen Filigrantechnik schwinden bei der ersten Schlüsselumdrehung. Das mittels eines als Heizungshebel getarnten Chokes angereicherte Gemisch scheint in allen acht Zylindern gleichzeitig zu zünden. Schon bei Leerlaufdrehzahl tönen die zwei Endrohre in der gefliesten Werkstatt so laut und wohl komponiert, dass man sich nach Modena in die Rennabteilung der Officine Alfieri Maserati gebeamt wähnt .

So groß wie eine S-Klasse, aber viel niedriger

Der Indy ist ein Riesenschiff, fast so lang wie eine S-Klasse, kaum schmaler, aber sehr viel niedriger. Die Ecken der Karosserie sind vom Fahrersitz aus nur zu erahnen. Nach vorn blickt man auf eine rot lackierte Landschaft, die, ähnlich wie die Erdkrümmung auf hoher See, am Horizont mit sanfter Biegung aus dem Gesichtsfeld verschwindet. Der Blick nach hinten zeigt eine horizontale Glasfläche, die ausreichen würde, um eine mittlere holländische Tomatenplantage zu überdachen.

Maserati Indy 4700 (1970) Foto: Maserati
Der Fahrer kann sich im Cockpit mit zahlreichen Instrumenten, Schaltern und Verstellmöglichkeiten vertraut machen.

Vor dem Losfahren gilt es jedoch, die Tastenklaviatur am Instrumentenbrett und die vielfältigen Verstellmöglichkeiten von Fahrersitz und Lenkrad zu erforschen. „Auf den Indy-Fahrer warten eine Menge Schalter und Hebel, mit deren Bedienung er sich durch ein kleines Studium vertraut machen muss“, schrieb auto motor und sport-Tester Reinhard Seiffert 1970 über den Wagen. So schlimm ist es dann doch nicht. Links und rechts des Lenkrads sind zwar eine Reihe schwarzer Kippschalter angeordnet, die an die Opel-Schalter derselben Epoche erinnern und zudem mit kryptischen Symbolen markiert sind. Doch die zum Fahren notwendigen Funktionen sind schnell gefunden.

Von dem halbseidenen Luxusambiente späterer Maserati -Modelle ist in diesem frühen Indy von 1970 wenig zu sehen. Zum Glück: Die schwarze Innenverkleidung und das rustikale Leder der Sitze passen viel besser zu diesem eleganten Coupé als mit Intarsien verziertes Holz, künstlich geknittertes Sofaleder und seltsam geformte Uhren. Holz findet in diesem Maserati nur an Lenkradkranz und Schalthebelknauf Verwendung, die Komfortausstattung beschränkt sich auf die unverzichtbare Klimaanlage, die ZF-Servolenkung und elektrische Fensterheber.

Premiere hatte der Indy 1969 auf dem Genfer Autosalon

Mehr war 1969, als das Vignale-Coupé auf dem Genfer Salon vorgestellt wurde und wenig später in Modena auch vom Band lief, nicht nötig, um ihm den gewünschten Hauch Luxus zu verleihen. Denn anders als der kompromisslosere Ghibli sollte der Indy weniger den gnadenlosen Sportfahrer ansprechen. Als Ersatz für den2+2-Sitzcr Mexico und die Limousine Quattroporte war er viel mehr als Expressfahrzeug für den leistungsbewussten Gentleman vorgesehen.

Die Rechnung ging auf: Der Indy verkaufte sich in nur fünf Jahren zwischen 1969 und 1974 1136 Mal, während es Quattroporte und Mexico zwischen 1963 und 1969 zusammen auf nur rund 1000 Exemplare brachten. So erscheint es wenig verständlich, dass der Indy keinen würdigen Nachfolger erhielt. Dabei zeigten Ghia und Italdesign schon zu Produktionszeiten des Indy Vorschläge für einen möglichen Nachfolger: Den Simun von1970, ein Coupé mit Indy-Motor, und den 2+2 von Giugiaro, der namenlos bleiben sollte.

Im Mai 1975 meldet Citroën für Maserati Insolvenz an

Doch die launischen Schicksalsgöttinnen, die in der Emilia Romana Sportwagenhersteller gedeihen und verderben lassen, hatten mit Maserati andere Pläne. Schon 1974 zeichnete sich ab, dass Citroën, seit 1969 im Besitz der Marke, sich die regelmäßigen Verluste nicht mehr lange würde leisten können. Im Mai 1975 meldete Citroën dann auch Konkurs für die defizitäre Edelmarke an.

Der französische Avantgarde-Hersteller schloss sich mit Peugeot zum PSA-Konzern zusammen. Für die Sportwagen aus Modena hatte man keine Verwendung. Auch nicht für den kapriziösen Sechszylinder des Citroën SM. Schließlich plante PSA gemeinsam mit Renault den Bau eines eigenen Oberklasse-Triebwerks, des späteren Europa-Motors.

Neue Herren in Modena wurden Alejandro de Tomaso und die staatliche Auffanggesellschaft GEPI. Sie produzierten die Mittelmotormodelle Merak und Bora sowie den Ghibli-Nachfolger. Erst 1976 erschien mit dem Kyalami, ein abgewandelter DeTomaso Longchamp, wieder ein Maserati mit Rücksitzen.

So fährt der Maserati Indy

Maserati Indy 4700 (1970) Foto: Maserati
Anfangs hatte der Indy einen 4,2-Liter-Motor mit 260 PS. Später wuchs der Hubraum auf 4,7 Liter und die Leistung stieg auf 290 PS.

Der 4,2-Liter-V8 läuft inzwischen rund und brav. Zeit zum Losfahren. Die Kupplung greift weich und progressiv, der Motor braucht zum Losrollen kaum mehr als Leerlaufdrehzahl. Zum Glück scheinen die Pedale aus einem Kleinlaster zu entstammen, denn anders als bei den meisten italienischen Supersportwagen findet ein Schuh der Größe 48 auch auf einem einzelnen Pedal ausreichend Platz. Die ersten Meter werden zur Herausforderung. Man sitzt tief in dem Maserati und fühlt sich wie ein Tankerkapitän, der versucht, den weit entfernten Bug ungefähr in Richtung der Hafenausfahrt zu dirigieren. Doch die Unsicherheit verfliegt schnell. Die anderen Verkehrsteilnehmer halten deutlichen Respektabstand zu dem Flachmann.

Vermutlich reicht schon die Geräuschkulisse Leichtmetall-Achtzylinders, um dem Indy etwas Lebensraum zu verschaffen. Der Eindruck, in einem Coupé für ältere Herrschaften zu sitzen, verfliegt, sobald auf dem Drehzahlmesser die Viertausender-Marke überschritten wird. Dann brüllt der Motor kaum leiser als der siegreiche 8 CTF von 1939, und der Indy fliegt davon, als hätte er nicht 231 PS, sondern mindestens ebenso viele Kilowatt. Spätere Ausführungen bekommen sogar die noch kräftigere 4,7- und 4,9-Liter-Versionen des V8- Triebwerks eingebaut. Dass der Leistungseindruck nicht ganz subjektiv ist, zeigt wenig später ein Porsche 911, der beim Überholen auf einer viel befahrenen Bundesstraße vergeblich versucht, den Maserati aus dem Rückspiegel zu schütteln.

Karosserie-Check

So rostanfällig, wie es italienischen Supersportwagen gern nachgesagt wird, ist die bei Vignale gebaute Karosserie des Indy, gar nicht. Dennoch gibt es einige Problemzonen. Eine davon ist der Mechanismus der Klappscheinwerfer. Die sollten gleichmäßig und ruckfrei hochfahren. Die Dichtung der Windschutzscheibe wird gern undicht, mit weit reichenden Folgen: Wasser läuft durch die Hohlräume bis in die Bodengruppe und sorgt dort für Rost Der setzt auch den Türen gern zu, vor allem im Bereich der Unterkanten und rund um die Türgriffe. Abhilfeschafft hier das Anbringen zusätzlicher Ablauflöcher und viel Wachs.

Auch die riesige Heckscheibe leidet mitunter unter Undichtigkeiten, vor allem, wenn sie schon mal gespachtelt und nachlackiert Oft passt dann die Scheibe nichtmehr richtig in den zierlichen Rahmen. Wenig resistent sind die vielen kleinen Chromteile wie Schriftzüge und Zierleisten. Hier unbedingt auf Zustand und Vollständigkeit achten, denn Ersatz ist sehr teuer. Was im Übrigen auch für Teile der Innenausstattung wie Instrumente und Schalter gilt.

Technik-Check

Im Allgemeinen sind die Achtzylindermotoren langlebig und robust. Nur dauerhaft unsachgemäße Behandlung und nachlässige Wartung nimmt das Triebwerk richtig übel. Wichtig: Das Ölmanometer sorgfältig im Auge behalten. Wenn der Zeiger bei warmem Öl und mittleren Drehzahlen unter drei bar bleibt, ist vermutlich bald eine Überholung fällig. Ein Schwachpunkt ist die Wasserpumpe, die besonders nach langen Standzeiten undicht wird.

Oft sind die Buchsen des Fahrwerks verschlissen, Teile sind aber lieferbar. Die Kupplung ist zwar nicht besonders anfällig, jedoch ist Ersatz nicht billig und der Austausch aufwendig und teuer. Auch das ZF-Getriebe gibt selten Anlass zur Sorge.

Preise

Ein mäßiger Maserati Indy 4.7 kostet laut Classic-Analytics so viel wie ein neuer VW Golf GTI: Die Notierungen liegen zwischen 27.200 und 36.800 Euro. In gepflegtem Zustand sind je nach Historie zwischen 67.200 und 90.900 Euro fällig. Weil Reparaturen und Teile so teuer sind, lohnt sich immer der Kauf des bestmöglichen Exemplars. Ratsam ist es auch, eine großzügige finanzielle Reserve einzuplanen. Im Vergleich zu einem Ghibli darf der Indy fast schon als Schnäppchen gelten. Doch Obacht: Die Unterschiede bei den Wartungskosten sind gering.

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage