Mercedes-Benz 230 AMG W 110 (1967) Auktion

Heckflosse von AMG, teurer als eine Pagode

Rekordpreis für eine Heckflosse: Dieser W 110 dürfte einer der ältesten erhaltenen AMG sein. Allein das Tuning kostete 1972 fast so viel wie das gesamte Auto.

Mercedes-Benz 230 W110 AMG (1967) Foto: Sven Wedemeyer/RM Sotheby's 20 Bilder

AMG macht seit 1967 Mercedes schneller. Der von Erhard Melcher und Hans-Werner Aufrecht in Großaspach bei Stuttgart gegründete Tuningbetrieb ist genauso alt wie die graue Heckflosse, die RM Sotheby’s am 25. November 2023 in München versteigert hat. Doch was, außer dem Baujahr, hat die Heckflosse mit AMG zu tun?

Graue Heckflosse mit ehemals 120 PS

Der Bielefelder Mercedes-Händler Kirstein & Sauer lieferte 1967 einen 230 an das Ingenieurbüro Werner Kurras in Gütersloh. Kurras hatte das Auto im Jahr zuvor, am 21. März 1966 bestellt und sich für eine Unilackierung in DB 190 Graphitgrau sowie eine hellgraue Leder-Innenausstattung entschieden. Er bestellte unter anderem elektrische Fensterheber, Klimaanlage, Servolenkung, Schiebedach und ein Becker Grand Prix. Die üppige Ausstattung verdoppelte den Preis beinahe: Statt auf 11.950 Mark lautete die Rechnung auf 20.912 Mark. Rabatt? Gab es damals beim Daimler nicht.

Ab Werk 175 km/h schnell

Der M-180-Vergaser war der stärkste Motor unter der kurzen Haube der "kleinen Flosse" W 110. Die "große Flosse", der S-Klasse-Vorgänger W 111, hat eine längere Front, mehr Chrom und größere Motoren.

Mercedes hatte im Juli 1966 die beiden Solex-Fallstromvergaser des 230 gegen zwei Register-Fallstromvergaser von Zenith getauscht und die Leistung von 105 auf 120 PS angehoben. Das steigerte die Höchstgeschwindigkeit von 170 auf 175 km/h und verkürzte den Spurt auf 100 km/h von 14,1 auf 12,8 Sekunden (Automatik: 12,7 Sekunden und 170 km/h). Ende der 1960er war das richtig flott.

Kurras fuhr in sechs Jahren 109.500 Kilometer und wollte dann offenbar mehr Leistung haben, als der 2,3-Liter-Reihensechszylinder bot. Er hätte zum Mercedes-Händler gehen und für 20.535 Mark einen nagelneuen 280E/8 bestellen können. Das tat er aber nicht. Stattdessen wandte sich der Ingenieur an das AMG Ingenieurbüro, das damals noch im schwäbischen Burgstetten bei Backnang saß. Aufrecht und Melcher hatten mit ihrer Truppe 1971 mit dem Klassensieg der "Roten Sau" bei den 24h von Spa für Aufsehen gesorgt und Bekanntheit erlangt.

200-km/h-Flosse

Der M 180 der grauen Flosse bekam bei AMG 1972 eine geänderte Kurbelwelle, vergrößerte Ein- und Auslassventile, leichtere Schlepphebel, eine neue Nockenwelle sowie polierte und vergrößerte Ein -wie Auslasskanäle. Klassisches Tuning mit beeindruckendem Ergebnis: Die erzielte Leistung lag bei 185 PS und damit gleichauf mit dem M-110-Doppelnockenwellenmotor im 280E/8. Angeblich soll die Flosse anschließend 200 km/h schnell gefahren sein, unterstützt von einer längeren Hinterachsübersetzung (3,69 statt 4,08).

Mercedes-Benz 230 W110 AMG (1967) Foto: Sven Wedemeyer/RM Sotheby's

AMG montierte zur Überwachung des frisierten Motors zwei Zusatzinstrumente.

Drehzahlmesser und Ölthermometer zur Überwachung des Motors hatte AMG laut Rechnung nachgerüstet. Mit Zweirohr-Auspuffanlage, Bilstein-Gasdruck-Stoßdämpfern und umgerüsteter Bremsanlage kostete der Umbau inklusive einer Tankquittung für BP Super 17.711,95 Mark. Zahlbar sofort ohne Abzug. Kurras behielt den Wagen bis 1980. Etwa zwei Jahre später erwarb ihn der heutige Verkäufer.

RM Sotheby's hatte für die AMG-Heckflosse einen Preis von 120.000 bis 160.000 Euro erwartet. Verkauft wurde die schnelle Heckflosse schließlich für 172.500 Euro (inklusive Aufgeld). Laut Classic Analytics liegt der Wert eines ungetunten 230 (W 110) in gutem Zustand bei 22.000 bis 29.800 Euro.