Mercedes-Benz 230E W124 mit 995 km

Vierzylinder zum Preis eines 500E

Dieser Mercedes W124 hat wenig Ausstattung und nur vier Zylinder, ist aber so teuer wie ein 500E. Das liegt am Kilometerstand.

Mercedes-Benz 230E W124 (1987) 995 km Foto: Mechatronik 17 Bilder

Ausstattung, Farbe, Zustand: Drei Faktoren, die Begehrlichkeit schaffen. Schauen wir uns diesen Mercedes 230 E an: Baureihe W 124, Baujahr 1987. An der Seite die schlanken Planken vor der ersten großen Modellpflege. Schwarze Außenspiegelkappen, dunkelgraue Stoßfänger, hellgraue Radkappen. Optisch eine graue Maus: bürgerlich motorisiert mit dem 132 PS starken M 102, unauffällig lackiert in 735 Astralsilber. Die Polster sind mit schwarzem Stoff bezogen.

Dieser W124 hat wenig Ausstattung

Mercedes-Benz 230E W124 (1987) 995 km Foto: Mechatronik
39.102 Mark kostete dieser 230 E Anfang 1987 inklusive Abgasreinigungsanlage und 14 Prozent Mehrwertsteuer. Dazu kamen Extras im Wert von 10.474,20 Mark.

Die Ausstattungsliste enthält wenige, wertvolle Positionen: 211 Automatisches Sperrdifferenzial und 470 Antiblockiersystem zählen zu den teureren Extras. Dazu kommen Radio, Schiebedach, Anhängevorrichtung, wärmedämmendes Glas und Metallic-Lackierung. Damals bestellten Kunden – ob privat oder gewerblich – handverlesene Extras.

Mercedes-Benz 230E W124 (1987) 995 km Foto: Mechatronik
Tiefdunkel schimmernde Kunststoffe mit intakter Narbung, sattorange Zeiger: Dieser W 124 zeigt den Auslieferungszustand.

Jedes Kreuz in der Preisliste wurde wohlüberlegt gesetzt. Aus heutiger Sicht wirkt die Zusammenstellung manchmal kurios, verleitet zu Mutmaßungen über Sinn und Zweck der Bestellung sowie die Eigenschaften des Bestellers. Wie auch immer: Zum damaligen Grundpreis von 39.102 Mark addieren sich Extras im Wert von 10.474,20 Mark. Ein fünfter Gang hat damals noch extra gekostet.

Das Spektakuläre an diesem unscheinbaren Auto ist der Kilometerstand: 995 Kilometer. Nicht 995.000, wie es bei dieser dauerhaltbaren Baureihe W 124 vorkommen kann. Nicht 99.500 Kilometer, wo schon die nächste Tankfüllung ins Sechsstellige reicht und der Laufleistung das Besondere nimmt. Wie kommt es, dass ein Mercedes der Mittelklasse im Jahr nicht 30.000 Kilometer fährt – wofür er gebaut wurde – sondern 30?

Ausgeliefert, ausgestellt, eingelagert

Am 27. Mai 1987 bekommt die Mercedes-Benz Niederlassung in Braunschweig diesen astralsilbernen 230 E geliefert. Dort steht er zunächst im Showroom. Das damalige Personenwagenprogramm, zusammengefasst in der ab 1. Juni 1987 gültigen Preisliste Nummer 49, ist übersichtlich: Es reicht vom "Baby-Benz" W 201 über die mittlere Baureihe W124 bis zur S-Klasse W126 und dem SL R 107. Mit dieser Baureihe wurzelt das Modellprogramm sogar noch tief in den Siebziger-Jahren. Modellwechsel geschehen beim Daimler damals noch mit der Gemächlichkeit eines OM 601, wie er etwa 190D oder 200D befeuert. Auch die Braunschweiger Niederlassung dekoriert ohne Hektik um: Etwa ein Jahr steht der 230E in der Ausstellung, dann wird er eingelagert.

Mercedes-Benz 230E W124 (1987) 995 km Foto: Mechatronik
Der Motorraum wirkt, als sei dieser 230E gestern vom Band gelaufen.

Im März 2021 kauft ein Händler das Auto und gibt es an Mechatronik weiter. Der Spezialist für hochwertige Klassiker verkauft das Auto mit frischer Hauptuntersuchung und neuer Inspektion an einen Sammler. Angeboten wurde der 230E für 49.500 Euro – das kostet sonst ein gut gepflegter 500E.