Mercedes Benz A170 (W 168), Audi A2 (2002-2005)

Alu-Audi oder Mini-Benz - A-Klasse oder A2?

Mit Mercedes A-Klasse und Audi A2 treffen zwei Kleinwagen aufeinander, die Autogeschichte geschrieben haben. Wie genial sind die feinen Kleinen heute? Ein Vergleich mit 20 Jahren Abstand.

Mercedes Benz A170 (W 168) (1998-2001), Audi A2 (8Z), (2002-2005) Foto: Arturo Rivas 37 Bilder

Es gibt Autos, die sich erst auf den zweiten Blick als Meilensteine entpuppen. Zu vertraut sind sie aus dem Straßenbild, vor allem die A-Klasse. In ihrer Urform rollt sie im Mercedes-Werk in Rastatt zwischen 1997 und 2004 immerhin 1.086.873-mal vom Band, ab 2001 modellgepflegt und auf Wunsch auch mit um 170 Millimeter verlängertem Radstand.

A2 ist viel seltener als die A-Klasse

Da kann ihr direkter Konkurrent namens Audi A2 mit 176.377 Einheiten, die zwischen 1999 und 2005 aus den Werkstoren in Neckarsulm tröpfeln, nicht mithalten. Das avisierte Ziel verfehlt der A2 kläglich, ein Facelift 2003 reicht bestenfalls dazu, dass Audi sein Gesicht wahrt. Zu teuer? Zu futuristisch? Das war die A-Klasse auch. Neuland, sozusagen.

Ein Mercedes wie nie zuvor

Mercedes Benz A170 (W 168) (1998-2001) Foto: Arturo Rivas
Ungewohnt für einen Mercedes: Die A-Klasse ist kurz und hoch.

Als Mercedes auf der IAA 1993 die Studie "Vision A93" vorstellt, ist auf einen Schlag nichts mehr so, wie es mal war. Das Design ist alles andere als mercedestypisch, genau wie die Abmessungen. Das Raumangebot erinnert an das einer Mittelklasse-Limousine. In Sachen Variabilität ist auch ein T-Modell nicht besser. Und Frontantrieb gab’s bislang auch nicht.

In der Folgezeit ziehen die Stuttgarter alle Register, um Presse und Öffentlichkeit mit Details über die Entwicklungsfortschritte zu füttern. 1994 folgt mit der "Studie A" ein weiteres Konzeptfahrzeug, 1995 wird auf der IAA das Innenraumkonzept enthüllt. Mit einem "Forum fürs Neue Automobil" und einer gigantischen Werbekampagne versucht Mercedes, der Klientel die Skepsis zu nehmen.

20 Innovationen und 72 mögliche Sitzkonfigurationen inklusive optionaler hinterer Einzelsitze und auf Wunsch herausnehmbaren Beifahrersitzes wollen schließlich erklärt sein, bevor der Neuling 1997 in Serie geht. Etwa die Sandwich-Bauweise mit Zwischenboden, denn Mercedes denkt bereits über den Einsatz von Brennstoffzellen und Elektroantrieben nach. Oder das Sicherheitskonzept, wenn bei einem Frontalcrash die Antriebseinheit an der abgeschrägten Spritzwand vorbei unter die Fahrgastzelle gleitet.

Dafür müssen eigens neue Motoren und Getriebe entwickelt werden. Achsantrieb und Differenzial sind in die Gangboxen integriert, die Motoren um 59 Grad nach vorn geneigt. Die vorderen Kotflügel und die Heckklappe bestehen aus Kunststoff, der leichte Kollisionen unbeschadet verkraftet und zugleich zur Gewichtseinsparung beiträgt.

Ein Elch und die Folgen

Mercedes A-Klasse, Elchtest Foto: Archiv
Beim Elchtest kippt die A-Klasse. Mercedes bessert nach.

Zum ersten Crash kommt es tatsächlich rasch, wenn auch im übertragenen Sinn: Am 21. Oktober 1997 legt ein gewisser Robert Collin, Autotester bei der schwedischen Zeitschrift "Teknikens Värld", ein voll besetztes und mit zusätzlichem Ballast beschwertes Exemplar des neuen Baby-Benz bei einem Ausweichmanöver aufs Kreuz. Die Fotos der arg zerknitterten A-Klasse gehen um die Welt. Und Robert Collin, damals 48, sieht sich über Nacht mit der Weltpresse konfrontiert.

Elchtest: Unfall mit Imageschaden

Den Namen "Elchtest" erhält das Ausweichmanöver, das damals weder zum Standard-Testprogramm von Mercedes noch von deutschen Fachmagazinen zählt, erst im Nachhinein. Collin bedient sich des Bildes vom Riesenhirsch, um einem deutschen Journalisten den Sinn zu verdeutlichen: Schließlich könnte auf einer einsamen schwedischen Straße plötzlich ein solches Huftier auftauchen. Das Debakel ist beispiellos, doch Mercedes kippt nicht um, sondern pumpt 300 Millionen Mark in die technische Nachbesserung und eine gigantische Medienkampagne. Mit serienmäßigem ESP schafft die A-Klasse den Elchtest, ausgelieferte Modelle werden nachgerüstet.

Während sich die Fachwelt noch am Fall Mercedes ergötzt, tritt mit dem Audi A2 auf der IAA 1997 fast unbemerkt ein A-Klasse-Konkurrent auf den Plan, wenn auch noch als Studie. Mit zwei Showcars namens Al2 ist ihm zuvor medienwirksam der rote Teppich ausgerollt worden, und auch er wird mit Alu-Leichtbau und Audi-Space-Frame ganz neue Wege in der Kleinwagenklasse gehen.

Dem A2 machen Golf und A3 zu schaffen

Audi A2, Auto der Woche, AL2 Studie IAA 1997 Foto: Audi
Audi zeigt den A2 zunächst als Studie auf der IAA.

Als der A2 1999 debütiert, ist das A-Klasse-Debakel schon Schnee von gestern. Der Audi trifft auf einen Konkurrenten, der sich etabliert hat – und der keine Konkurrenz aus dem eigenen Stall fürchten muss. Irgendwo im Nirgendwo zwischen seinen Konzernbrüdern VW Golf und Polo sowie dem Audi A3 muss der A2 deutlich mehr um Käufer kämpfen.

Dabei macht er nichts falsch: Er ist so groß (und so hochpreisig) wie die A-Klasse, wirkt verglichen mit ihr allerdings hip wie ein Instagram-Account gegenüber einem Schwarz-Weiß-Fotoalbum. Sein Teddy-Gesicht bricht nicht nur die Herzen der stolzesten Frauen, wohingegen das Image des Rentner-Mobils hart wie eine Chromschicht an der A-Klasse haftet.

Man nimmt dem Audi einfach bereitwilliger ab, dass er Vorsprung durch Technik bietet, auch wenn er sich erst 2004 als Prototyp mit Brennstoffzelle profilieren darf. Mit dem 1.2 TDI 3L in Ultraleicht-Bauweise samt automatisiertem Getriebe und cW-Wert 0,25 (Serie: 0,28, A-Klasse: 0,31) hat Audi aber immerhin schon 2001 ein echtes Drei-Liter-Auto im Angebot.

Ein Duell auf Augenhöhe

Mercedes Benz A170 (W 168) (1998-2001), Audi A2 (8Z), (2002-2005) Foto: Arturo Rivas

Bestätigen sich die Vorurteile beim Fahren? Keineswegs! Zwar spürt man in unserem vulkanroten 2000er-A-170-CDI aus der Sammlung des Mercedes-Benz Museums, dass das aufwendige Fahrwerk des W 168 mit der breiteren Spur vorne auf hart statt zart getrimmt wurde. Doch der innen konservativ, ja fast mutlos gestaltete Kompakte entpuppt sich mit seiner angenehm direkten Lenkung, die weder zu stark servounterstützt ist noch von zu heftigen Antriebseinflüssen heimgesucht wird, als wendiger Begleiter. Auf topf-ebener Strecke wetzt der leer nur knapp 1200 Kilo leichte Mercedes flink durch die Kurven. Sein druckvoller Diesel harmoniert gut mit der optionalen Fünfstufenautomatik.

Im A2, der sogar die 1000-Kilo-Grenze beim Leergewicht unterbietet, sitzt man mehr drin als drauf. In dieser Disziplin fordert der Sandwichboden des Mercedes seinen Tribut, zwingt er Großgewachsene doch, die Beine wie auf einem Stuhl abzuwinkeln. So thront man zwar hoch und genießt die Rundumsicht und den Komfort beim Ein- und Aussteigen, fühlt sich im Audi aber eher wie in Abrahams Schoß.

Audi A2, Gebrauchtwagen-Check, asv2018 Foto: Audi
Mit dem bunten Colour Storm will Audi den A2-Absatz ankurbeln.

Das Auto, ein Colour-Storm-Präsentationsmodell in Papaya-Orange von 2002, das Uli Kämmerling (65), IT-Unternehmer aus Gschwend, gehört, wirkt erwachsener als die A-Klasse – auch beim Abrollkomfort. Doch der knuffige Bug fordert seinen Tribut: Zwar ist das Raumgefühl gut, doch die Handlichkeit leidet. Beim Fahren liegen beide verblüffend nah beieinander. Mit seinem Direkteinspritzer, dem gut abgestuften Fünfganggetriebe und seiner direkten Lenkung verleitet auch der Audi zu flotter Gangart.