Mercedes S600 (W140) Stärken und Schwächen

S-Klasse mit 12-Zylinder im Check

Der W140 bietet ein herausragendes Qualitätserlebnis und Fahrgefühl. Gut gepflegt steht er noch immer für absolute Oberklasse. Aberwitzig niedrige Anschaffungspreise verraten Vernachlässigung – die allerdings rächt sich.

Mercedes-Benz S600, Heckleuchte Foto: Arturo Rivas 27 Bilder

Er selbst sollte einen Maßstab neu definieren, diesen Anspruch auf Perfektion so verkörpern, dass er überhaupt nicht infrage zu stellen war. Er musste nicht der Beliebteste werden, aber der Beste. So stand er da. Das strahlte er aus. Wie etwas Absolutes, ein Monument, unverrückbar. Dort er – hier, mit Abstand, die anderen. In ihm fanden Größe, Masse und Machtanspruch in Kritikresistenz und Unnahbarkeit zusammen. Wie ein Symbol, das auf nichts Größeres verweisen will als auf sich selbst, wirkte der Mercedes W140 oft unverstanden, war viel geschmäht und konfrontiert mit dem Vorwurf von Arroganz.

Mercedes W140, die S-Klasse der Kohl-Ära

Der Mercedes W140 war die S-Klasse seiner Zeit und seiner Amtszeit als Kanzler. Beide prägten eine Ära nicht weniger als sie von ihr geprägt wurden. Vielleicht hätte es der dicke Mercedes leichter gehabt, vielleicht hätte er weniger Diskussionen um Verhältnismäßigkeit und soziale Akzeptanz ausgelöst, wäre er, wie ursprünglich geplant, schon früher auf den Markt gekommen, 1988 nämlich oder 1989.

Aber er verspätete sich, weil die Ingenieure auf der „Suche nach dem ultimativen Fahrkomfort“, so ein Fahrwerksspezialist zum Entwicklungsauftrag, Umwege gehen mussten. Selbst oder gerade der vom traditionsreichen Fahrzeugbauer zum größten deutschen Industrieriesen gewachsene Konzern tat sich schwer und brauchte etwas länger, das ebenso simple wie absolute Diktat des Chefs umzusetzen. „Wo wir sind, muss oben sein“, hatte Werner Niefer in Kohl-ähnlich sinnfreier Manier phrasiert und mit „wir“ gleichwohl nicht sich, sondern die Daimler-Benz AG gemeint. Die sollte mit der neuen S-Klasse – dem Mercedes W140 – nichts anderes als „das beste Auto der Welt“ bauen.

3 Milliarden Mark Entwicklungskosten

Mit einem Kostenrahmen von rund drei Milliarden Mark starteten die Arbeiten am Mercedes W140, als Helmut Kohl nach der im Wahlkampf so bemühten „geistig-moralischen Wende“ 1982 das erste Mal ins Kanzleramt einzog. Als der eine Dicke dabei war, seine dritte Amtszeit anzutreten, stand der andere 1991 vor einer Premiere, die nicht wirklich so ausfiel wie gedacht, und auch das hatte mit einer Art geistig-moralischer und einer noch ganz anderen Wende zu tun.

„Wir hatten doch immer die besten Autos gebaut“

„Die letzten 40 Jahre war nie etwas wirklich schiefgegangen“, sprach Jürgen Hubbert. „Wir hatten doch immer die besten Autos gebaut.“ Und während Werner Niefer bei der Genfer Vorstellung der Mercedes W140-S-Klasse verkündete, sie werde „eine Spitze des Automobilbaus neu definieren“ und „den Weg für die Zukunft der Automobiltechnik weisen“, gestikulierte er so euphorisiert, dass er dabei, wie der „Spiegel“ festhielt, eine Wasserkaraffe vom Tisch vor sich befördert haben soll.

Die Dimension der Vergleiche und die ungebremste Großspurigkeit der Rede passten zu den Dimensionen einer neuen S-Klasse, die sich, so zumindest das damalige Empfinden, ein Ressentiment, geradezu demonstrativ hoch und lang und breit machte ohne Maß und Bescheidenheit, während von denen, die sich einen Oberklasse-Mercedes ohnehin nicht hätten leisten können, Bescheidenheit und Maßhalten eingefordert wurde. Gerade wiedervereinigt, da werde man sich angesichts der historischen Tragweite dieser Umwälzung doch wohl ein bisschen Opferbereitschaft abverlangen lassen müssen, ein bisschen Solidarität und Zurückhaltung.

Heute relativ: Kritik an der Größe

So wurde der Mercedes W140 beim Debüt 1991 schnell zum Unzeitgemäßen erklärt, zum Repräsentanten von Wertvorstellungen und Hierarchien, die zwar alles andere als wirklich überholt und obsolet waren, wohl aber gerne so markiert wurden. Er, der 140er, wurde angesehen als der offen Unbescheidene, eine arrogante Karre, protzig, kolossal, deplatziert, so unsympathisch wie jene, die sich nicht schämten, ihn gegen eine herrschende öffentliche Meinung zu bestellen. Eine „Ausgeburt von Ingenieurswahn“ hat die „taz“ ihn genannt, „eine eklatante Verletzung des Gebots der Maßstäblichkeit“ ein Professor an der Berliner Universität der Künste. Heute, fast 30 Jahre später, hat sich die Größe des W140 relativiert.

Im Ausland war die Größe der neuen S-Klasse weniger Thema. Die Welle moralisierender Kritik kam in der Hauptsache aus Deutschland. Und: Sie beschrieb den W140 als soziokulturelles Phänomen, sozusagen als öffentliche Person der Zeitgeschichte, nicht aber als technischen Gegenstand, als Fahrzeug, als Auto. Sie stieß sich vielmehr daran, dass Daimler selbst den Mercedes W140 in erster Linie als technischen Gegenstand verstand und entwickelte. Es ging ums Image, nicht um den Wagen selbst.

Das beste Auto der Welt startete mit Mängeln

Kann gut sein, dass das damit zu tun hat, dass diese S-Klasse in all ihrer Unbescheidenheit dem Anspruch der Macher – das beste Auto der Welt – tatsächlich verdammt nahegekommen war, zumindest im Prinzip und zumindest dann, wenn man von den Qualitätsmängeln und Kinderkrankheiten der frühen Exemplare absieht. Die brachten Mercedes zum Serienanlauf des W140 in Rechtfertigungsnot: Das beste Auto der Welt, und dann schnarren bei hohem Tempo die Außenspiegel, oder die Antischlupfregelung schaltet ohne Grund auf Notbetrieb?

Einmalige physische Präsenz des Mercedes W140

Mercedes-Benz S600, Heckansicht Foto: Arturo Rivas
Die Größe des W140 hat sich heute relativiert, doch die physische Präsenz beeindruckt immer noch.

Doch schiebt sich die physische Präsenz eines Mercedes W140 heute eindrücklich vor jede Erinnerung, die seinem Nimbus etwas anhaben könnte. Seine Ausstrahlung ist auch nach mehr als fünf Erdumrundungen die eines Unantastbaren.

Das erste Mal W140 hat etwas von einem Initiationsritus. Schon wenn die Tür schwer, präzise und mit trockenem Schlag ins Schloss fällt, um dann wie stets im 600er den letzten Millimeter automatisch zugezogen zu werden, verändert sich der Blick auf die Welt. Es gibt dann ein „da draußen“ und ein „hier drin“, und dazwischen steht er, dieser Mercedes, wie eine Burg, wie eine Festung. In dieser ersten Sekunde überfällt einen das unmittelbare Erleben von Solidität und Souveränität. Es ist, als ließe sich mit diesem Ding gegen eine massive Hauswand fahren, das Haus bricht zusammen, der Mercedes W140 federt über die Trümmer hinweg. Am Steuer ist davon nicht mal was zu merken.

Der 12-Zylinder passt am besten

War was?, fragt man sich, und beinahe ist selbst diese stumme Frage zu hören, weil ja auch der Wagen kaum lauter ist, das Laufgeräusch des Zwölfzylinders ein entferntes Rauschen, stille, seidige Gleichmäßigkeit. Der Mercedes W140 braucht den Zwölfzylinder nicht unbedingt. Aber prinzipiell passt er am besten zu ihm, weil auch er das technisch Machbare verkörpert, den Superlativ.

Die Reifen sind zu hören, der Fahrtwind mischt sich in die Geräuschkulisse, die Lüftung im Sommer, die Heizung im Winter, sie alle sind lauter als der V12 des Mercedes W140, der auch dann die Contenance nicht verliert, wenn ihm Leistung abverlangt wird. Er bewegt den Zweitonner so mühelos, wie man sich selbst von ihm bewegen lässt.

Karosserie-Check

Mit der Zeit gönnt sich die Mercedes W140 S-Klasse gelegentliche Aussetzer seiner vorzüglichen Manieren. Sprich: Die Zuziehhilfe von Türen und Kofferraumdeckel fallen mit Aussetzern auf. Insgesamt profitiert der W140 auf Dauer von seiner hohen Material- und Fertigungsqualität. Rost ist kaum ein Thema. Blühende Blechkanten und Radläufe müssen nicht sein.

Unerlässlich bei der Mercedes W140 S-Klasse: ein Check aller Komfortausstattungen von der Klimaanlage bis hin zu den elektrischen Fensterhebern. Das Verbundglas der Heckscheibe läuft milchig an.

Technik-Check

Die Technik der Mercedes W140 S-Klasse ist nicht heikel, aber komplex ist sie und anspruchsvoll in der Wartung: Mit der Vernetzung von Motormanagement, Getriebe und Abgasreinigung über ein Can-Bus-System war der W140 ein Trendsetter für die Großserie. Gerade die Pflege und Fehlerdiagnose der Elektronik ist mit zunehmendem Alter arbeits- und damit kostenintensiv. Die Motorkabelbäume leiden unter der Hitze im Motorraum; nach einiger Zeit bröselt die Ummantelung. Kurzschlüsse können die üble Folge sein.

Unproblematisch und haltbar sind bei der Mercedes W140 S-Klasse dagegen die mechanische Hardware von Antrieb und Fahrwerk.

Preise

Das Preisspektrum ist enorm: Je nach Zustand, Zahl der Vorbesitzer und Wartungshistorie gibt es die Mercedes W140 S-Klasse schon für deutlich unter 3.000 bis knapp 20.000 Euro. Classic-Analytics gibt für ein Zustand 2-Exemplar des Topmodells S600 eine Preisspanne von 12.800 bis 17.300 Euro an. Für mäßige Fahrzeuge im Zustand 4 sind es etwa 3.500 Euro. Eins darf allerdings nicht vergessen werden: Die Unterhalts-, Reparatur- und Wartungskosten liegen immer noch auf Oberklasse-Niveau. Gibt es mit der Elektrik oder Elektronik Probleme, werden schnell vierstellige Beträge fällig.

Bei Einführung 1991 (Mercedes Benz 600 SE) :
194.142 DM
Bei Produktionsende 1998 (Mercedes Benz S600) :
207.872 DM

Ersatzteile

Zu haben ist über Spezialisten und Mercedes-Vertretungen umgehend so gut wie alles. Aber die Kosten für die Teile erinnern schmerzlich an die Preisliga, in der die Mercedes W140 S-Klasse einst spielte. Der Unterhalt, speziell für den V12, ist nichts für schmale Börsen.

Schwachpunkte

  1. Wagenheberaufnahmen
  2. Zuziehhilfe der Türen
  3. Sitzpolster/Türverkleidungen
  4. Can-Bus-Steuergeräte
  5. Kabelbaumisolierung
  6. Sonderausstattung (Funktion)
  7. Traggelenke, Spurstangenköpfe
  8. Klimaanlage, Lüftung
  9. Bosch LH-Jetronic
  10. Zylinderkopfdichtung
Mercedes-Benz W140, Schwachpunkte, Igelbild

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage

Fazit

Der W140 bietet ein herausragendes Qualitätserlebnis und Fahrgefühl. Gut gepflegt steht er noch immer für absolute Oberklasse. Aberwitzig niedrige Anschaffungspreise verraten Vernachlässigung – die allerdings rächt sich.