Opel Corsa A GT (1987) Reise

Von Porto über Zaragoza nach Rüsselsheim

Opel fehlt was in seiner Sammlung: ein seltener Corsa GT – der ersten Serie. Als sich ein potenzieller Verkäufer kurz vor Weihnachten aus Südeuropa meldet, ist der Deal schnell festgezurrt. Wer den kleinen Gran Turismo nach Rüsselsheim bringt? Wir – stilecht auf eigener Achse.

Opel Corsa A GT (1987) Foto: Dani Heyne 12 Bilder

Mitte Dezember 2018, etwas über zehn Grad. Die Sonne scheint hier in Porto genauso hell und gelb wie Opels Neuerwerb: ein Corsa A in der seltenen GT-Version. Der kleine, eher unbekannte Gran Turismo steht auf einem Parkplatz direkt am Hafen der bekannten Küstenstadt.

Opel hatte ihn von April 1985 bis zum Herbst 1987 im Programm. Er beerbte damals den Corsa A SR – anfangs mit einem 1,3-Liter-Vierzylinder unter dem Häubchen, dessen Vergaser an guten Tagen 70 PS anmischt. Mit den munteren Pferdchen und dem dezenten Spoilerdress verzückte er all jene, die sich den grimmigen GSi nicht leisten konnten – und dennoch Fahrspaß wollten. Als technisches Schmankerl ist unter anderem seine Fünfgang-Schaltbox zu deuten, die den Durst und die Drehzahlen auf schnellen Etappen kleinhält. Was uns besonders freut, schließlich starten wir mit dem GT gleich eine Grand Tour – es geht von Porto in Portugal bis nach Rüsselsheim in die Opel-Sammlung. Dort soll der gelbe GT in Zukunft wohnen.

Es hat einige Monate gedauert, bis Opel ein ebenso unverblühtes wie unverbasteltes Exemplar gefunden hatte. Einen spanischen Wagen aus erster Hand, vergessen in einer portugiesischen Garage. Nach einem Werkstatt-Check vor Ort war der Deal perfekt – und wir von YOUNGTIMER gelten als ideale Crew, um das Schmuckstück würdevoll auf eigener Achse zu überführen.

2.700 km Roadtrip im Corsa A

Opel Corsa A GT (1987) Foto: Dani Heyne
Ein gutes Foto von Portos Brücken aufzunehmen, ist weitaus einfacher, als einen Opel Corsa A GT in solch einem Zustand aufzutreiben.

Die Schlüsselübergabe am Hafen fällt nüchtern aus. Der Chef der kleinen Werkstatt übergibt die Papiere und versichert, dass der Wagen technisch fit sei – scheut sich aber vor einem Abschiedsbild. Da sei der Corsa fotogener. Stimmt: Man sieht dem GT tatsächlich nicht an, dass er bereits 1987 die Hallen des damals noch jungen Opel-Werkes in Saragossa verlassen hat. Kein Rost an den typischen Stellen, Sitze mit Seitenhalt wie am ersten Tag, 38.000 Kilometer auf dem Tacho. Wenn die echt sind, hat er in 31 Jahren nicht mal eine Runde um den Äquator geschafft. Wir lassen die Zahlen bei einem Pingo wirken – dem typischen portugiesischen Espresso mit einem Schluck Milch. Dann wird der GT gefüttert, was bei 42 Litern Tankinhalt nur etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt als der Sprint von null auf hundert (12,5 Sekunden).

Kaum verschwinden die letzten fliesenverzierten Häuser Portos im Rückspiegel, zeigt der Corsa, wofür er den Zusatz GT trägt: Erstaunlich leise und mühelos schwimmt er durch den Verkehr. Das Fahrwerk verzichtet auf übertriebene Härte, die Lenkung auf jegliches Spiel und das Kombi-Instrument auf zu wenig Information. Neben den üblichen Parametern zeigt es auch Öldruck und Motordrehzahl an. Bei der kleinen Tankuhr sind wir uns anfangs nicht sicher: Ob sie all die Jahre unbeschadet überstanden hat? So langsam, wie sie ihren Zeiger bewegt?

Nach ein paar Stunden wissen wir: Der Verbrauch des GT stimmt tatsächlich mit den Werksangaben überein – mehr als sechs Liter pro 100 Kilometer verbrennt der Flitzer selten. Hilfreich sind dabei seine nur rund 750 Kilogramm, was ihm ein Leistungsgewicht von 10,71 Kilogramm pro PS beschert. Das liegt in etwa auf dem Niveau eines aktuellen Opel GTC 1.6 Turbo mit 200 PS.

Seine Trümpfe spielt der Corsa GT zum ersten Mal in den hügeligen Straßen des Parque Natural de Montesinho aus. Trotz mangelnder Servolenkung huscht der Opel treffsicher durch die vielen Scheitelpunkte. Unser eleganter Swing durch die wunderschöne Landschaft Nordportugals wird – wie auf einer Rallye-Etappe nicht untypisch – von der Rennleitung gestoppt.

Nach kurzer Verwunderung, was zwei Deutsche in einem spanischen Opel in Portugals Einsamkeit machen, winken uns die Uniformierten freundlich zur nächsten Etappe: der Mittagspause. Sie findet in dem beschaulichen Bergdorf Vinhais statt, in dem genau ein Restaurant geöffnet hat. Die Köchin versteht leider nichts anderes als Portugiesisch. Und da wir nur die nötigsten Wörter gelernt haben – wie "Leistungsverlust" und "Reifenpanne" –, ruft sie ihren Sohn an, der per Telefon auf Englisch die Karte erläutert. Ein vorzügliches regionales Mahl und zwei Schluck Portwein für den Beifahrer später verabschiedet uns die Chefin mit einer Umarmung und den Worten: "Boa viagem!" ("Gute Reise!")

Spanien, wir kommen!

Nach Hunderten von Kilometern und einer kurzen Nacht umspülen die Wellen des Atlantischen Ozeans unsere Füße. Herrlich erfrischend! Danach gibt’s eine Tortilla de Patatas, vier Cortado und 40 Liter mit einer Klopffestigkeit von 95 Oktan. Ölverbrauch? Null! Entspannt huscht der GT zur größten Stadt des autonomen Baskenlandes – Bilbao. Nach kurzer Verschnaufpause neben dem Guggenheim Museum bummelt der GT durch die belebte Metropole. Einmal mehr wird klar, wie übersichtlich der erste Corsa doch ist – und wie mühelos man für ihn Parklücken findet.

Opel Corsa A GT (1987) Foto: Dani Heyne
Dieser bunte Hund bewacht das so berühmte wie fotogene Guggenheim-Museum von Bilbao.

Die Abendetappe führt am Ebro entlang, dem zweitlängsten Fluss Spaniens. Der Opel kreuzt das weltberühmte Weinanbaugebiet La Rioja und erreicht noch vor der Tagesschau Saragossa. Zur Begrüßung klatscht Regen gegen die Scheiben, daher verschwimmen die Umrisse der berühmten Basílica del Pilar – des Wahrzeichens der Stadt. Vorsichtig geht’s durch die Altstadt. Der Hotelführer hatte fett gedruckt darauf hingewiesen, dass das ehrwürdige Haus nicht ganz einfach zu erreichen sei. Damit ist sicher die abenteuerliche Fahrt durch die schmalen Gassen gemeint – zum Glück bewegt sich der Corsa wie eine Katze. Was ihm auch in der Tiefgarage des Hotels zugutekommt – die einem Fahrstuhlschacht gleicht. Gerade erst habe sich hier ein VW Passat böse verkeilt, erzählt der Portier und zeigt auf die Schrammen in den Wänden.

Besuch im Opel-Werk Saragossa

Am nächsten Morgen wird es feierlich: Der Corsa steht zur vereinbarten Zeit vor den Toren des nahe gelegenen Opel-Werks. Bei seiner Eröffnung vor 36 Jahren noch milde belächelt, zählt es mittlerweile zu den größten im Opel-Universum. Neben dem Corsa rollen hier etwa die Modelle Mokka X und Crossland X von den Bändern.

Der GT hat Glück, er darf nicht nur auf das Werksgelände – sondern sogar in die Fertigungshallen schnuppern. Hier, wo er 1987 zusammengebaut wurde. Als der gelbe GT neben der Produktionslinie stoppt, kommen viele ältere Mitarbeiter vorbei und begrüßen ihn wie einen Jugendfreund. Geschichten von den Anfängen im Werk werden zum Besten gegeben. Mitten im Gespräch rollt ein aktueller Corsa für ein Familienbild dazu – der mit seinen Abmessungen sogar den damaligen Kadett E übertrumpft. Die spanischen Opelaner machen noch ein paar Schnappschüsse, dann lassen sie uns weiter nach Barcelona ziehen.

Mit Tempo 140 eilt der GT der heimlichen Hauptstadt Spaniens entgegen. Er hat einen kleinen Fahrplan für Sehenswürdigkeiten im Gepäck. Vom Hausberg der Stadt, dem Montjuïc, rollt er über die nächtlichen Straßen zum hell erleuchteten katalanischen Jugendstiltraum, dem Hospital de Sant Pau und weiter zum Triumphbogen Arc de Triomf – dem einstigen Haupteingangstor für die Weltausstellung von 1888. Viel zu schnell vergeht die Zeit, und obwohl sich unser spanischer Kleinwagen zu Hause fühlt, wecken wir ihn noch vor Sonnenaufgang. Ein Stopp noch an der berühmten Sagrada Família, dann kämpft der kurze Opel am Friedhofsberg mit dem dichten Verkehr des jungen Morgens.

Die Macht der Gelbwesten

Die letzte große Etappe dieser Reise beginnt – sie führt den kleinen Blitz einmal quer durch Frankreich. Was wir nicht wissen: welche Mautstellen und Autobahnen die Gelbwestenbewegung lahmlegen wird. Sie kämpft seit Oktober gegen die Preiserhöhung für fossile Kraftstoffe. Das erste Protestzeichen gefällt: mit Folie umwickelte Blitzer. Danach kommen offene Mautstationen, an denen Männer in gelben Westen stehen, die Tickets einsammeln und eine gute kostenlose Reise wünschen.

Opel Corsa A GT (1987) Foto: Dani Heyne
Der dritte Grenzübergang ohne Kontrolle – der gelbe GT ist fast am Ziel. Zukünftig bereichert er die Opel-Klassik- Sammlung

Zwei Stunden später steht der Corsa vor einer Reifenbarrikade, direkt auf der Autobahn. Es dauert drei Stunden, bis der Verkehr wieder rollt. Die nächste Mautstation hat die Polizei unter Kontrolle – und stoppt den kleinen GT. Wieder die gleichen Fragen: Was machen zwei Deutsche in einem in Spanien zugelassenen alten Opel Corsa? Die Geschichte, dass der gelbe Flitzer vor zwei Tagen in Portugal gestartet ist, um morgen bei Opel in Rüsselsheim die Sammlung zu verstärken, klingt zu fantastisch für die uniformierten Freunde. Nur ein langer Blick in alle Taschen und auf das Display der Digitalkamera kann die Ordnungshüter überzeugen. Am Ende hören wir: "Bon voyage!"

Kurz hinter Basel verschieben sich die Gegensätze. Mit der Grenzüberquerung nach Deutschland erhöht sich das Tempo um den Corsa. Der kleine Wagen altert spürbar, kann plötzlich nicht mehr so einfach mitschwimmen. Theoretisch rennt er 166 km/h – aber das möchten wir ihm nicht antun. Lieber schnurren wir die letzten 300 km gemütlich über die leere rechte Spur. Atmen noch einmal den Duft der 80er ein, klopfen auf das einfache Armaturenbrett, kneifen in das Velours der Sportsitze und nehmen so Abschied von einem kleinen GT, der sich noch immer großartig anfühlt. Wie wenig es doch für eine wahre Grand Tour braucht.

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