Peugeot 607 und Volvo S80 im Fahrbericht

Luxuslimousinen jenseits deutscher Premium-Hersteller

Jenseits von Daimler & Co. eröffneten Ende des letzten Jahrtausends zwei Limousinen aus Schweden und Frankreich mit verbessertem Qualitätsniveau ganz neue Möglichkeiten abseits des Mainstreams.

Peugeot 607 2.2 16V, Volvo S80 D5, Exterieur Foto: Rossen Gargolov 12 Bilder

Wir erinnern uns: Vor 20 Jahren hatten Audi mit dem A6 (Baureihe C5, ab 1997), BMW mit dem 5er E39 und Mercedes mit der E-Klasse W 210 (beide ab 1995) recht spitze Pfeile im Köcher. Hier der A6, der seine Blechpartien in neuartigem Zuschnitt präsentierte, dort der erste 5er, der seine Doppelscheinwerfer unter einer Glasabdeckung trug, und schließlich das Vieraugengesicht der ersten E-Klasse, die von Beginn an so hieß.

So unterschiedlich der Auftritt, so klar die Botschaft: Die höheren Angestellten, die sich bei den deutschen Premium-Herstellern ihre Autos konfigurieren durften, hatten es geschafft. Gegen diese etablierte Armada anzutreten, verlangte Mut und Selbstbewusstsein – Peugeot und Volvo bewiesen beides. Allerdings bekamen sie nicht den Respekt, der ihnen gebührte – und ihre Qualitäten werden noch heute unterschätzt.

Ein großer Fehler, wie wir meinen. Beginnen wir beim Design, denn hier können beide Autos mit der deutschen Premium-Liga mithalten, wenn nicht sogar in Führung gehen. Der Peugeot folgt auffällig der aerodynamisch optimierten Linie, duckt seine Nase tief nach unten, bestrahlt den Asphalt vor ihm mittels scharf geformter Scheinwerfer.

Das Heck als Highlight

Peugeot 607 2.2 16V, Exterieur Foto: Rossen Gargolov
Der Peugeot folgt auffällig der aerodynamisch optimierten Linie, duckt seine Nase tief nach unten, bestrahlt den Asphalt vor ihm mittels scharf geformter Scheinwerfer.

Doch das eigentliche Highlight setzten die Designer nach der dezent ansteigenden Seitenlinie mit sehr reduziertem Chromschmuck an den Fensterrahmen schließlich mit dem formvollendeten Heck: An den flach auslaufenden C-Säulen, die dem 607 fast eine Coupé-Linie verleihen, und der konkaven Kofferraumhaube kann man förmlich den Windkanalrauch entlangströmen sehen. Die weit um die Ecken herumgezogenen Rückleuchten geben mit dem Heck einen individuellen Touch, und der in der Null des 607-Schriftzugs versteckte Knopf für die Haubenentriegelung markiert das i-Tüpfelchen – der Peugeot zeigt sich zeitlos modern, stringent und gefällig.

Blickt man danach dem Volvo S80 in sein etwas zusammengekniffenes Gesicht, sieht man dagegen schon auf den ersten Blick, dass dieser ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Der chromumrandete Mini-Kühlergrill und die orange hinter Klarglas leuchtenden Blinker erinnern doch stark an die Historie der Schweden mit 700/900er-Reihe sowie ihrem ersten Mittelklasse-Fronttriebler, dem 850, mit dem auch die grandiosen Fünfzylinder-Reihenmotoren eingeführt wurden.

Doch dazu kommen wir später. Jetzt gilt es erst mal, die Hand über das lackierte Blech streichen zu lassen, denn diesen Volvo muss man mit den Fingerkuppen erfahren – die von der Front bis zum Heck laufende, abwechselnd scharf ausgeprägte, dann wieder zu einem sanften Radius geformte Sicke, die zu einem so einzigartigen Erscheinungsbild führt, dass der S80 sofort als Volvo zu identifizieren ist. Mit ihm begann eine neue Design-Zeitrechnung, die über S/V70, C30, S/V60 und die XC-SUV bis heute andauert.

Auch beim S80 liegt der Akzent auf dem Heck, das die Linie mit breiter Basis und schmalem Aufbau durch die Rückleuchten betont. Wie beim Peugeot entfaltet sich ein Qualitätsdesign, das die Markenwerte und auch den Premium-Anspruch beider Marken auf ein neues Level hievt.

Formidable Verarbeitung

Peugeot 607 2.2 16V, Interieur Foto: Rossen Gargolov
Selbst nach 16 Jahren macht das Interieur im 607 noch einen hervorragenden Eindruck, nichts knarzt oder quietscht.

Von einem neuen Level kann auch bei der Verarbeitungsqualität gesprochen werden. Speziell fällt das beim Peugeot von 2003 auf, der immerhin schon 139.000 km gelaufen ist. Egal, wie oft die schweren Fondtüren des 607 zufallen, jedes Mal ertönt ein tiefes "Flapp" – solch ein sattes Geräusch hätten wir nicht erwartet. Genauso wenig das formidable Platzangebot, das die Mittelklasse-Limousine bereithält: Fondpassagiere können auf den gemütlichen Velourspolstern ihre Beine nach vorn und ihre Arme zur Seite ausstrecken, ohne unfreiwilligen Kontakt aufnehmen zu müssen. Auch das Sicherheitsniveau ist hoch: Front-, Seiten- und Vorhang-Airbags gehörten damals nicht zum Standard.

Die Premium-Ausstattung unseres Fotoautos von Fredi Automobile in Reutlingen (3.490 Euro, Tel.: 071 21/ 159 43 25 77) kann sich ebenfalls sehen lassen, sie umfasst neben Klimaautomatik elektrisch verstellbare Sitze, Außenspiegel und elektrische Fensterheber. Dazu Regensensor, Bordcomputer, Isofix-Halterungen, Nebelscheinwerfer, Tempomat und HiFi-Anlage mit CD-Player. Selbst nach 16 Jahren macht das Interieur noch einen hervorragenden Eindruck, nichts knarzt oder quietscht.

Versteckte Zusatzfunktion

Einzig die Wandlerautomatik mit nur vier Gängen mag man als veraltet ansehen. Dafür rutscht der Wählhebel in einer schönen Schaltkulisse samt Echt-Alu-Plakette durch die Gangstufen. Überraschend ist das klar gestaltete Armaturenbrett mit fünf Rundinstrumenten, die nicht nur von filigranen Chromrähmchen eingefasst werden, sondern mit der automatischen Ölstandskontrolle in der Öltemperaturanzeige auch noch ein Feature bieten, auf das manche Konkurrenten noch heute warten. Über die reichlich im Innenraum verteilte Folie mit Holzmaserungsoptik sehen wir generös hinweg und verbuchen das unter "Zeitgeist".

Die Schweden folgten kurz vor dem Jahrtausendwechsel offensichtlich demselben Geist, denn auch der S80 trägt Holzoptikfolie an Armaturenbrett und Türverkleidungen. Und dennoch: Der S80 ist eine Limousine des Aufbruchs. Über Hinterradantrieb redeten damals nur noch die gusseisernen Volvo-Fans, alle anderen hatten sich mit dem platzsparenden Antriebskonzept abgefunden – oder orderten einen Volvo mit Allrad. Auch vom S80 gab es ab 2003 eine solche Variante: den 2.5 T AWD mit 210 PS. Doch gehört dieser ebenso wie die Bi-Fuel-Version zu den absoluten Exoten der Baureihe, zumindest in Deutschland.

Typisch skandinavisch-anders ist das reduzierte, nüchterne Innenraum-Design. Das grafisch wunderbar umgesetzte Bedienpanel für Klimaautomatik (mit Aktivkohlefilter) und Sound-Anlage – mit Vierfach-CDWechsler und per Fernbedienung operierendem DVD-Player – samt vollständiger Telefontastatur und Schaltknauf der Sechsgangautomatik wirkt moderner und technokratischer als das 607-Pendant: Wo sich Peugeot ins neue Jahrtausend aufmachte, war Volvo schon angekommen.

Die Ausstattung des S80 umfasst die aufgeführte Liste des 607 bis auf die Ölstandskontrolle, trumpft dafür zusätzlich mit Sitzheizung, Lenkradtasten und hochwertigen schwarzen Lederpolstern auf, die von grauen Kedern eingefasst sind. Im Fahrersitz fällt ein gelochter Bereich in der integrierten Kopfstütze auf, dahinter versteckt sich der Lautsprecher des Freisprechsystems – kein Design-Kniff ohne Funktion. Niedlich: der kleine, kabelgebundene Telefonhörer, der sich per Knopfdruck aus der Mittelkonsole löst, als Reminiszenz an das 20. Jahrhundert.

S80 mit SIPS und WHIPS

Volvo S80 D5, Interieur Foto: Rossen Gargolov
Das noble Ambiente im Volvo kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Innenraum im direkten Vergleich enger geschnitten ist.

In Sachen Sicherheit erfüllt und übertrifft der Schwede selbstverständlich alle an ihn gestellten Erwartungen, inklusive SIPS (Side Impact Protection System) und WHIPS (Whiplash Protection System), die im Falle von Seitenaufprall und gegen Schleudertrauma aktiv werden. Das noble Ambiente im Volvo kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Innenraum im direkten Vergleich enger geschnitten ist.

Nicht dass er nicht genügend Platz für vier bieten würde, doch bei einem großen Fahrer, der seinen Sitz einstellt, schmilzt der Knieraum dahinter auf Mittelklasse-Niveau. Allerdings, und da waren wir ja schon: Der typische höhere Angestellte reist sowieso alleine. Die Ledersitze wirken in dem von Er Automobile in Tübingen (4.999 Euro, Tel.: 01 57/ 30 68 21 82 15) angebotenen S80 fast wie neu. Kein Wunder, hat der Ersthandwagen von 2004 doch nur 86.000 km auf der Uhr.

Die nicht zu straffe Polsterung integriert den Fahrer sofort, die Bedienung stellt keine Fragen, der 163-PS-Diesel erwacht sofort aus seinem Tiefschlaf. Also schauen wir mal, welche Figur der Volvo in Bewegung macht. Trotz augenscheinlich recht langer Standzeit verfällt der DOHC-Reihenfünfer augenblicklich in gleichmäßigen Rundlauf, wobei das typische Kaltnageln akustisch gut gedämpft ist. Ist das zähe Öl der Sechsgangautomatik zunächst etwas störrisch, schaltet das Getriebe nahezu unbemerkt durch die Gangstufen, sobald die Betriebstemperatur erreicht ist.

Volvo S80 D5, Exterieur Foto: Rossen Gargolov
Der 2,4-Liter-D5 des Volvo S80 kann sein Drehmoment zwischen 1.600 und 4.500/min gut in Szene setzen, schon bei 1.750/min liegen 420 Nm an.

In Kombination mit dem kräftigen Dieselmotor ein perfektes Zusammenspiel. Der 2,4-Liter-D5 kann sein Drehmoment zwischen 1.600 und 4.500/min gut in Szene setzen, schon bei 1.750/min liegen 420 Nm an. Da hat es der Peugeot trotz eines Gewichtsvorteils von 111 Kilo nicht leicht, dranzubleiben, schließlich muss dessen moderner DOHC-Benziner mit 217 Nm auskommen. Dennoch würde sich ein Langstreckenfahrer vermutlich für den Peugeot entscheiden – einfach weil er das komfortablere Auto ist, ein luftigeres Raumgefühl bietet und akustisch noch besser von der Außenwelt entkoppelt.

Zwei Langstreckengleiter

Das Untersteuern ist beim 607 nahe dem Grenzbereich ausgeprägter, doch dort bewegt man sich in der Regel nicht. Im normalen Verkehrsfluss ist es kaum zu spüren. Bei den guten Bremsen können wir keine Unterschiede ausmachen.

Wenn die Kurvenradien enger werden und die Gangart in den Galopp übergeht, kann der straffer abgestimmte und auf 17-Zöllern rollende Volvo seine Vorteile ausspielen, durcheilt agil die Kurvenfolgen. Nur eine direktere Lenkung würde man sich wünschen. Doch das ist Jammern auf hohem Niveau – dem der deutschen Konkurrenzprodukte. Die Unterschiede sind Nuancen, kaufentscheidend sind persönliche Vorlieben. Falsch machen kann man hier nichts.