Porsche 911 (993) Kaufberatung, Fahrbericht, Video

Letzter luftgekühlter 911 – leider nicht billig

Egal ob als Coupé, Cabrio oder Targa – der letzte 911 mit Luftkühlung verfügt über sämtliche Porsche-Tugenden. Der sportliche 993 empfiehlt sich als Youngtimer durch ausgereifte und langlebige Technik. Billig war er nie.

Porsche 911 Carrera Coupé 993 (1997) Fahraufnahme driving shot Landstraße Foto: Patric Otto 19 Bilder

Auf der IAA in Frankfurt präsentierte Porsche 1993 den 993. Die vierte Generation des 911 ist die letzte mit luftgekühltem Motor. Vier Jahre und 400 Millionen D-Mark investiert Porsche in die Weiterentwicklung des 30 Jahre alten Konzepts. "Der Porsche 911 muss auf dem höchstmöglichen Stand gehalten werden", sagt Entwicklungsvorstand Horst Marchart über die Entwicklungsarbeiten am 993.

Auch wenn im Vergleich zum Vorgänger 964 praktisch nur die Dachlinie unverändert bleibt, ist sofort zu sehen: Das ist ein Porsche 911. Die typischen vorderen Kotflügel sind flacher und breiter, aber immer noch gut geeignet, um Kurven anzupeilen. Die neuen Ellipsoid-Scheinwerfer liegen flacher und sind erstmals beim Elfer gegen Aufpreis mit Xenonlicht zu haben – Porsche nennt die Technik Litronic.

Neue Hinterachse

Das breitere Heck schafft Platz für eine neue Hinterachse: LSA steht für Leichtbau-Stabilität-Agilität und eine Weiterentwicklung der "Weissach-Achse". Die Mehrlenkeraufhängung aus Aluminium sorgt für ein stabileres Fahrverhalten und mehr Fahrkomfort.

Keine Sorge, der Elfer fährt immer noch wie ein Elfer: leichtfüßig, präzise und ein wenig anstrengend. Nur mit trockeneren Handflächen. Und die Armbanduhr, die gerüchtehalber frühe 911 ihren Fahrern bei schneller Autobahnfahrt vom Handgelenk schüttelten, bleibt an Ort und Stelle. Servolenkung hatte schon der 964 als erster Elfer und dort gehörte sie, wie beim 993, zu den besten ihrer Art. Die bemerkenswert präzise Lenkung teilt dem Fahrer unmissverständlich mit, wie der Asphalt unter den Vorderrädern beschaffen ist und wie es um die Griffigkeit der Reifen steht.

Luftgekühlter Boxermotor mit 272 PS – und mehr

Erhalten blieb der fein modulierte, typische Klang des Boxermotors: ein Bollern, Fauchen und Sägen, das immer echt und mechanisch klingt. Der luftgekühlte Heckmotor hat wie im Vorgänger 3,6 Liter Hubraum. Eine steifere Kurbelwelle, leichtere Pleuel und Kolben sowie erweiterte Einlasskanäle bringen 22 PS mehr Leistung.

Hydrostößel sorgen dafür, dass das Ventilspiel einstellen entfällt. Eine Varioram-Ansauganlage steigert die Leistung ab Modelljahr 1996 auf 285 PS – von außen an eckig geformter Auspuffendrohren zu erkennen. Die Endgeschwindigkeit steigt mit Varioram von 270 auf 275 km/h.

Tuning ab Werk

Wer mehr Leistung suchte, fand bei Porsche Exclusive eine Hubraum-Erweiterung auf 3,8 Liter. Die Leistung stieg damit im Modelljahr 1994 auf 285 PS und zwei Jahre später auf 300 PS. Die Motorsport-Abteilung lupfte mit dem Motor Kit 2 die Leistung auf 299 PS und die Höchstgeschwindigkeit auf 280 km/h.

Turbo mit zwei Ladern und Allradantrieb

Der 911 Turbo tritt seinem Fahrer ab 1995 erstmals mit zwei Ladern ins Kreuz: 408 PS und 290 km/h sind die Eckdaten. Wem die 4,5 Sekunden von null auf 100 km/h nicht flott genug sind, dem half Porsche Exclusive mit Leistungssteigerungen auf 430 und 450 PS (Turbo S) weiter. Heute sind solche werksgetunten Elfer einen Aufschlag wert. Speziell der Turbo S ist eine teuer gehandelte Preziose.

Das Schaltgetriebe im 993 ist neu entwickelt, es hat nun sechs Gänge und soll sich präziser schalten lassen. Daran, wie gut sich der Schaltknauf greifen lässt, bemerkt man, mit welcher Präzision und Detailliebe in Zuffenhausen und Weissach gearbeitet wird.

Sonderfall: Tiptronic und Allrad

Optional gibt es das Viergang-Automatikgetriebe Tiptronic, ab Modelljahr 1995 als Tiptronic S mit Schaltwippen am Lenkrad. Ebenfalls im Modelljahr 1995 erscheint der Carrera 4 mit einem neuen, einfacheren Allradantrieb mit Visco-Lamellenkupplung, die zwischen fünf und 35 Prozent der Antriebskraft an die Vorderachse leitet. Erstmals hat der Turbo Allradantrieb, und zwar serienmäßig.

Drei Anzeigen für den Ölhaushalt

Porsche 911 (993) Carrera 4S (1996-198) Foto: Porsche

Typisch 911: 5 bestens ablesbare Rundinstrumente, links Anzeigen für den Ölhaushalt, mittig für die Drehzahl und rechts für die Uhrzeit.

Die Neuerungen im Innenraum sind schnell abgehakt: schlankeres Airbag-Lenkrad, geänderte Sitze und Türverkleidungen. Als letzter 911 trägt der 993 die fünf Runduhren in klassischer Anordnung: links zeigen drei Instrumente Öltemperatur, -druck und -stand an, mittig sitzt der Drehzahlmesser und rechts eine Zeituhr. Die Tachoskala reicht bis 300, was beim Carrera eine milde Übertreibung darstellt. Bemerkenswert und immer wieder schön ist die klare Gestaltung mit weißen Ziffern und roten Zeigern, die ein zweifelsfreies Ablesen auch beim schnellen Hinschauen erlauben.

Coupé, Cabrio oder Targa?

Auf den Markt kommt der 993 im Herbst 1993 als Coupé. Im Frühjahr 1994 folgt das Cabrio mit leisem, elektrisch betätigten Stoffverdeck und 1995 der Targa mit klassischem Namen und neuem Konzept: Statt eines Dachteils, das von Hand entfernt wird, hat der neue Targa ein Glasdach, das sich elektrisch unter die Heckscheibe schiebt. Der Targa hat immer den 286-PS-Motor und ab Werk eigenständige Fünfspeichen-Räder.

Praktisch gleichzeitig mit dem Targa kommt der Carrera 4S ins Programm, mit breiter Karosserie, Fahrwerk und Bremsen vom Turbo sowie dem Saugmotor des Carrera. Ab 1997 ist diese Kombination auch ohne Allradantrieb im Carrera S zu haben – zu erkennen an den mittig geteilten Lüftungslamellen im ausfahrbaren Heckspoiler. Unter je zwei geschlossenen und offenen Versionen dürfte jeder Interessent seine persönliche Wunschversion finden. Nur einen Targa mit Allradantrieb gab es nicht.

RS und GT2: 993 für die Rennstrecke

Dafür einen Turbo ohne Allradantrieb: Der GT2 gehört unbedingt auf die Rennstrecke, steht jedoch meist in den Garagen solventer Sammler. Dort parkt auch häufig der nur 1.014-mal gebaute RS mit 300 Sauger-PS. Von allen 993-Versionen fertigt Porsche von 1993 bis 1998 insgesamt 68.881 Exemplare.

Karosserie-Check

Rostbefall schwächt einen 993 eigentlich nur nach handwerklich schlecht reparierten Unfallschäden. Dank vollverzinkter Karosserie und meist schonender Zweitwagen-Vita bleibt er lange neuwertig. Wenn die braune Pest zuschlägt, dann am Rahmen der Windschutz- oder Heckscheibe. Manchmal bröselt es auch an den Halterungen der Heckverkleidung.

Knackt die Tür beim Öffnen, geht bald die Aufnahme für das Fangband kaputt. Auf Steinschläge in der Windschutzscheibe und an der Frontpartie achten. Beim Cabriolet gilt es, das Stoffverdeck sowie sämtliche Dichtungen unter die Lupe zu nehmen. Das automatische Verdeck sollte bei der Besichtigung einwandfrei funktionieren. Wer auf Nummer sicher gehen will, fährt durch die Waschanlage und prüft, ob alles dicht ist. Das gilt auch für den 993 Targa.

Technik-Check

Auch bei der Technik gibt sich der 993 langlebig und robust. Die Boxermotoren gelten bei regelmäßiger Wartung und gefühlvollem Warmfahren der 11,5 Liter Motoröl als beinahe unzerstörbar. 300 000 Kilometer auf dem Zählwerk sind keine Seltenheit. Einzig an den Kettenkästen kann der Sechszylinder Öl verlieren. Zum Abdichten muss man ihn erst einmal ausbauen, um zur Vorbeugung alles richtig machen zu können. Wenn man schon dabei ist, lohnt es sich noch, die Steuerketten samt Gleitschienen zu erneuern, sie sind meist bei 150.000 Kilometern fällig. Bei Varioram-Motoren sorgt oftmals eine undichte Resonanzklappe für schlechten Motorlauf. Auch die Abgasanlage verdient Aufmerksamkeit. Kupplungsgeber- und -nehmerzylinder können im Alter schwächeln.

Vom Turbo sind undichte Kurbelwellensimmerringe bekannt. Wichtig: Vor Modelljahr 1996 (T) dürfen nicht alle Carrera mit 18-Zoll-Rädern ausgerüstet werden, da die werksseitigen Rohbauverstärkungen fehlen. Nur wenn eine Querstrebe am Lenkgetriebe nachgerüstet wurde, ist der Betrieb mit 18-Zöllern möglich. Andernfalls geht das Lenkgetriebe kaputt. Auskunft über die jeweiligen Fahrgestellnummern gibt Porsche. Auch Heizung, Klimaanlage und Bordelektronik sind bei den mittlerweile gut 25 Jahre alten Autos als kostentreibende Fehlerquellen bekannt. Importierte Autos aus den USA und Japan sorgen mit ihrer aufwendigeren Sensorik häufig für hohe Instandsetzungskosten.

Preise

Als der 993 den 964 ablöst, kostet der Neue keinen Pfennig mehr: Zur Markteinführung im Herbst 1993 verlangt Porsche für den 911 Carrera 125.760 Mark. Zwischenzeitig lag der Nachfolger je nach Modell einige Zehntausend Euro über dem Vorgänger, mittlerweile haben sie sich einander aber wieder angenähert. Aktuell lassen sich brauchbare Fahrzeuge mit kleineren Mängeln bereits unter 60.000 Euro finden, besser aber ist es, ab 80.000 Euro in einen 993 ohne Wartungsstau und aktuellen Reparaturbedarf zu investieren. Häufig liest man im Anzeigentext auch das Wörtchen „Automatikgetriebe“, doch damit mutiert der 993 vom Sportwagen zum Cruiser. Soll es ein 911 Turbo sein, werden meist 120.000 Euro oder noch mehr aufgerufen. Der Leichtbau-993 mit dem Zusatz RS startet bei rund 200.000 Euro. Aber aufgepasst bei Normalmodellen mit RS-Optik und fragwürdig getunten Motoren! Wer einen der extrem seltenen GT2 sucht, kann schon mal eine knappe Million Euro bereithalten. Kein Wunder: Es rollten nur 193 Exemplare aus der Produktionshalle im Stuttgarter Stammwerk Zuffenhausen.

Bei Einführung 1995 ( Porsche 911 Carrera Coupé) :
125.760 Mark
Bei Produktionsende 1998 ( Porsche 911 Carrera Coupé) :
132.950 Mark

Ersatzteile

Bei dem noch einigermaßen jungen Porsche-Modell ist die Versorgung mit Ersatz- und Verschleißteilen weitgehend gesichert. Dank seines hohen Stellenwerts in der Klassiker-Szene ist der 993 für die Teilehändler eine wichtige Größe. Wenn Not am Mann ist, helfen sowohl die gut etablierten freien Spezialisten als auch Porsche Classic.

Erfahrungsgemäß ist das offizielle Teileprogramm preislich an der oberen Grenze angesiedelt, insofern bietet sich immer ein Vergleich an. Eine gute Alternative sind Gebrauchtteile, auf die sich ebenso einige freie Händler spezialisiert haben. Aber: Nicht alles ist auf Anhieb lieferbar, der 993 wird eben schon rund 25 Jahre nicht mehr gebaut. Einsteigern in das Hobby hilft im Zweifel der Kontakt zu Clubs oder das Durchforsten einschlägiger Internetforen.

Schwachpunkte

  1. Ölverlust Motor und Getriebe
  2. Steuerkettenspanner
  3. Kupplungsgeber defekt
  4. Bremsen verschlissen
  5. versteckte Unfallschäden
  6. Stehbleche
  7. Schweller
  8. Targa-Dach
Porsche 911 993, Igelbild, Schwachstellen

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage

Fazit

Egal ob als Coupé, Cabrio oder Targa - der letzte 911 mit Luftkühlung verfügt über sämtliche Porsche-Tugenden. Der sportliche 993 empfiehlt sich als Youngtimer durch ausgereifte und langlebige Technik.