Porsche 911 Cabriolet und Boxster im Fahrbericht

Welcher offene Porsche darf es denn sein?

Ein offener Porsche steht auf der Wunschliste, okay. Aber: Muss es unbedingt ein Elfer sein, oder tut es der Boxster, der deutlich günstiger zu erstehen ist? Wir haben den Mittelmotor-Roadster und einen 996 einen Tag lang ausprobiert.

Porsche 911 Carrera 4 Cabriolet, Porsche Boxster 2.7, Exterieur Foto: Arturo Rivas 16 Bilder

Die beiden offenen Porsche fallen auf, fangen im Vorbeifahren viele freundliche Blicke ein. Vorne ein gelber Boxster 2.7, direkt dahinter ein orangefarbenes 911 Carrera 4 Cabriolet der Baureihe 996. Für einen Moment scheint jene alte Stallrivalität begraben zu sein, die bisweilen sogar von Hohn und Spott der gusseisernen Elfer-Fraktion gegenüber dem 1996 präsentierten Boxster begleitet war. Und ja, auch bei Porsche haben sie ihn auf Distanz gehalten, haben ihm nie einen Turbo spendiert. Sport war ausschließlich für den 911 vorgesehen, und dabei sollen selbst in Zuffenhausen nicht wenige davon überzeugt gewesen sein, dass der neue Mittelmotor-Roadster bei gleicher Leistung womöglich sogar der athletischere von beiden gewesen wäre.

Vergeben und vergessen. Denn im Grunde haben beide Modelle viel Gleiches zu bieten: Sie sind echte Sportwagen, beide sind herrlich offen, und beide verfügen obendrein über den technisch gleichen (!), begeisternden Sechszylinder-Boxermotor unter ihrem Blech. Warum dann also für einen Elfer sehr viel Geld ausgeben, wenn man für spürbar weniger einen Boxster fahren kann?

Diese Frage dürften sich sicherlich viele gestellt haben, und die Suche nach einer Antwort – sie beginnt unweigerlich mit Äußerlichkeiten. Nehmen Sie sich einmal Zeit, schauen Sie in Ruhe über die Linie eines Boxster, dessen Schokoladenseite nach Meinung des Autors dieser Zeilen eindeutig schräg hinten ist. Schnörkellos und sauber dessen Design, keine Spur von Protz, kein Strich zu viel.

Porsche Boxster 2.7, Interieur Foto: Arturo Rivas
Der Drehzahlmesser wird von zwei Uhren eingerahmt, die ovalen Designelemente im Cockpit stammen aus den 90er-Jahren.

Die Zeiten, in denen dieser Mittelmotor-Roadster mitleidig belächelt wurde, dürften längst vorbei sein – und dabei war es genau die Form des Autos, welche einst stark polarisierte. Wir erinnern uns: Zuerst die tolle Studie, 1993 in Detroit vorgestellt, kompakt, puristisch und irgendwo zwischen Speedster und Spyder angesiedelt. Ein großer Wurf, keine Frage. Als der neue, von Porsche-Designchef Harm Lagaay gezeichnete Roadster Typ 986 drei Jahre später auf die Straße kommt, hat er jedoch bereits mächtig zugenommen, viele finden das Design nun zu fade, die Scheinwerfer zu triefäugig. "Zu japanisch", heißt es obendrein. So etwas sitzt natürlich.

Boxer mit Wasserkühlung

Ach ja, da war noch etwas: Der neue Mittelmotor-Roadster wird vom ersten wassergekühlten Boxermotor des Hauses Porsche angetrieben – manche befürchten bereits des Ende des Sportwagenherstellers, dem es in den 90er-Jahren wirtschaftlich wahrhaftig nicht gut geht. Heute wissen wir: Ohne den Boxster hätte Porsche kaum überlebt, der Roadster verkauft sich aus dem Stand heraus sogar besser als der große Bruder, anfangs mit einer 204 PS starken 2,5-Liter-Maschine, ab 1999 mit 220 PS aus 2,7 Litern Hubraum.

Im Jahr 2000 schiebt Porsche den Boxster S mit einem 252 PS starken 3,2-Liter-Aggregat hinterher, damit ist der Roadster 260 km/h schnell. Der Elfer steht zwar weiterhin unangefochten an der Spitze der Porsche-Hierarchie, aber allen anderen Neo-Roadstern fährt die von Leistungsfetischisten oft belächelte erste Boxster-Generation auf und davon.

Natürlich sollten Sie jetzt auch einmal Platz in einem Boxster nehmen. Porsche-typisch der mittig angeordnete Drehzahlmesser sowie das links sitzende Zündschloss. Ab 1999 wurde auch das billig anmutende Interieur der ersten Boxster-Auflage mächtig aufgewertet, der sich als klarer Zweisitzer entpuppt, denn hinter die Lehnen der sehr bequemen Sportsitze passt nicht einmal eine Jacke – dort befinden sich der Verdeckkasten und darunter der Motor. Übrigens ein echtes Hightech-Triebwerk mit variablen Steuerzeiten für die Einlassventile (VarioCam), das jedoch ziemlich unnahbar bleibt: Wenn Sie es ohne größere Montagearbeiten sehen wollen, müssen Sie sich schon unter das Auto legen.

Porsche Boxster 2.7, Exterieur Foto: Arturo Rivas
Die Form des Roadsters besticht durch klare Linien, ab Tempo 120 fährt der Heckspoiler aus.

Sie drehen den Zündschlüssel – und Sie werden gleich darauf zufrieden nicken. Weil Ihnen bereits dieses feine Standgasgrummeln gefallen wird, Sie ahnen lässt, dass der 220 PS starke Sechszylinder seine altbekannte Stimmlage trotz dämpfender Wasserkühlung kaum eingebüßt hat.

Am besten suchen Sie sich jetzt eine Landstraße, möglichst kurvig und möglichst einsam, denn dort gehört ein Boxster hin. Nichts scheint diesen Roadster dort aus der Ruhe zu bringen, kein Zittern und kein Schütteln. Der Typ 986 überzeugt selbst im besten Youngtimer-Alter durch sein handliches und gleichzeitig narrensicheres Fahrverhalten. Lenkung, Federung und Bremsen? Alles hoch motiviert und voll bei der Sache. Obendrein keine Spur von der Hinterhältigkeit eines Mittelmotor-Sportlers, selbst im Grenzbereich verhält sich dieser offene Zweisitzer erstaunlich gutmütig, bleibt durch seine Ausgewogenheit bei einem Elfer länger im Rückspiegel sichtbar, als es dessen leistungsmäßige Überlegenheit vermuten lässt.

Doch am besten wird Ihnen am Ende – jede Wette! – dieser 2,7-Liter-Motor gefallen. Durchzugskraft, gepaart mit einem turbinenhaften Drehvermögen. Den Rest besorgt Ihnen dann der Klang, denn dieses herrliche Ansaugtrompeten jenseits 4.500 Touren hat bisher noch niemanden unberührt gelassen.

Der 996 – ein echter Elfer!

Porsche 911 Carrera 4 Cabriolet, Exterieur Foto: Arturo Rivas
Das Stoffdach verschwindet in 20 Sekunden fast vollständig unter einer Klappe.

Natürlich sind Sie jetzt auf den Elfer Typ 996 gespannt, also den Neunelf mit dem ersten wassergekühlten Sechszylinder-Boxermotor im Heck. Der Aufschrei der Traditionalisten im Jahr 1997 – er ist heute noch zu vernehmen. Aber natürlich wissen wir es längst besser, denn Porsche hatte gar keine andere Wahl: Luftgekühlt waren weder die immer strengeren Abgasvorschriften noch die Ansprüche hinsichtlich weiter steigender Motorleistung zu realisieren. Also alles richtiggemacht. Punkt.

Was viele ihm jedoch übel genommen haben: Aus Sparzwängen gleicht die erste 996-Auflage dem ein Jahr zuvor erschienenen Boxster, dessen damaliger Neupreis gerade einmal die Hälfte beträgt, fast schon wie ein Zwilling. Haube, Kotflügel, Türen, die Scheinwerfer und das Chassis bis zur A-Säule – alles identisch. Die Menge der Gleichteile liegt bei fast 40 Prozent. Das ändert sich erst 1999, als Porsche beim Elfer die viel kritisierte glupschige Scheinwerfer-Blinker-Einheit gegen die schärferen Augen des Turbomodells tauscht und während des Facelifts im Jahr 2001 auch Front und Heck überarbeitet. Dennoch, unser 2003er-Modell kann seine Verwandtschaft zum Boxster nicht verleugnen.

Aber: Seiner Taille beraubt, wirkt der 996 noch bulliger als sein Vorgänger. Beim Cabrio ist nun auch das zweilagige elektrisch betriebene Stoffverdeck – wie beim Boxster – unter einer Klappe verschwunden, ein Novum, denn bis dahin trug jeder offene Elfer sein zusammengefaltetes Dach wie eine wuchtige Nackenrolle unter einer Persenning, die erst noch mühsam geknöpft werden musste. Beim 996 dauert es jetzt 20 Sekunden, bis die Besatzung in der Sonne sitzt – ein Vorgang, den der Boxster übrigens in zwölf Sekunden erledigt.

Verheißungsvolle 320 PS

Porsche 911 Carrera 4 Cabriolet, Interieur Foto: Arturo Rivas
Die Verwandtschaft zum Boxster – sie zeigt sich auch akustisch, nur dass der Elfer bereits im Stand einen Hauch kräftiger vor sich hin brummt als der Roadster.

Sie wollen es wissen, nehmen am Steuer des 996 Platz. Was sofort auffällt: die fünf ineinander verschachtelten Instrumente anstelle der drei sich gegenseitig verschlingenden Uhren im Boxster. Und das großzügigere Raumgefühl natürlich, obendrein hält der Elfer in der zweiten Reihe zwei brauchbare Notsitze bereit, taugt damit durchaus auch als Familienauto.

Zündung. Die Verwandtschaft zum Boxster – sie zeigt sich auch akustisch, nur dass der Elfer bereits im Stand einen Hauch kräftiger vor sich hin brummt als der Roadster. Der gleiche Vierventil-Sechszylinder-Boxer, klar, aber eben mit 3,6 Litern Hubraum und verheißungsvollen 320 PS.

Runter vom Parkplatz, und für einen direkten Vergleich sollte es natürlich der gleiche Kurs sein, den man zuvor mit dem Boxster eingeschlagen hat. Kinderleicht rollt dieser Elfer an, kein Krawall, keine Spur von Radau. Aber dann, die nächste Gerade. Herrlich, wie dieses Triebwerk hinten im Heck jede noch so kleine Gaspedalbewegung in Vortrieb umsetzt, vor Kraft förmlich zu explodieren scheint und dabei nahezu vibrationsfrei in Bereiche dreht, die sonst oft tiefrot sind. Klar, der Boxster ging schon gut zur Sache, aber das hier ist dann doch eine andere Liga. Nicht nur gefühlt, auch tatsächlich.

Klasse auch die Lenkung des Elfer. Noch direkter als beim Boxster, ermöglicht sie selbst bei schnellen Manövern jederzeit zentimetergenaues Fahren. Keine fiesen Heckattacken, kein knallharter Kampf Mann gegen Auto, sondern jederzeit volle Kontrolle. Der Preis für so viel sportliches Talent: spürbar weniger Komfort als beim Boxster, dessen Fahrwerk unterm Strich das ausgewogenere ist.

Sie erwarten jetzt ein Urteil? Versuchen wir es: Sportlich bleibt der Carrera die Nummer eins, unter der Berücksichtigung seines Preises ist der Boxster jedoch gleichauf. Ja, so könnte man es ausdrücken.