Porsche 911 Carrera 2 und 944 Turbo S im Vergleich

Transaxle oder Elfer? Zwei Porsche mit je 250 PS

Von 1988 bis 1991 konnten Porsche-Kunden zwischen zwei gleich starken Sportcoupés wählen: 944 Turbo und 911 Carrera 2, beide mit 250 PS. Ist der heute nur halb so teure Vierzylinder-Porsche ein echter Elfer-Ersatz?

Porsche 944 Turbo S 911 (964) Foto: Hans-Dieter Seufert 19 Bilder

Man kann es einfach nicht leugnen: Auch dieser wunderschöne, in Samtrot-Metallic ausgelieferte Porsche 944 Turbo S von 1988 basiert im Prinzip auf dem 1975 präsentierten, eher schmalen Porsche 924 mit überschaubaren 125 PS und dürren 165er-Reifen. Doch wie hat er sich verändert!

Die Karosserie besitzt jetzt scharf konturierte Kotflügelverbreiterungen, unter denen sich vorne 225er- und hinten sogar 245er-Niederquerschnittreifen breitmachen. Dank Turboaufladung leistet der seit 1981 von Porsche stammende 2,5-Liter-Vierzylinder 250 PS. Deshalb hat sich auch der Name geändert, aus 924 wurde damals 944.

Porsche 944 Turbo S für einst über 100.000 Mark

Porsche 944 Turbo S Foto: Hans-Dieter Seufert
Unser Fotoauto ließ sich der finnische Erstbesitzer einst umgerechnet über 100.000 Mark kosten.

Doch unser Fotomodell bietet noch viel mehr. Wie jeder 944 Turbo S verfügt er über ABS, das Koni-M030-Gewindefahrwerk, ein Sperrdifferenzial, ein verstärktes Fünfganggetriebe mit externem Ölkühler sowie die Vierkolben-Bremsanlage des Porsche 928S. Außerdem verwöhnten den komfortbewussten finnischen Erstbesitzer elektrische Fensterheber, eine Klimaanlage, ein HiFi-Klangpaket und ein herausnehmbares, elektrisch bedienbares Hubdach. Dadurch kletterte der Preis dieses top ausgestatteten 944 Turbo S, für den in der Basisversion bereits 95.000 Mark gefordert wurden, deutlich über die 100.000-Mark-Grenze.

Kostete auch 100.000 Mark: Porsche 911 Carrera 2

Porsche 911 Carrera 2 Tiptronic (964) Foto: Hans-Dieter Seufert
Der Porsche 911 Carrera 2 kostete 1989 103.500 Mark. Unser Fotoauto ist von 1991.

Zum fast gleichen Betrag hatte Porsche ab 1988 den technisch komplett neuen 911 Carrera 2 im Programm. Beide besitzen die identischen, für einen Sportwagen grundlegenden Eckdaten: 250 PS Leistung, 260 km/h Topspeed, 1350 Kilogramm Gewicht. Ob diese Konkurrenz im eigenen Haus eine kluge Marketingmaßnahme war, ist wohl zu bezweifeln. Bei jährlich nur 30.000 produzierten Fahrzeugen mit drei komplett verschiedenen Baureihen sollte man dies besser vermeiden. Porsche versprach mit dem 944 Turbo S, der ab 1989 nur noch Turbo hieß, „eine ganz neue Definition des sportlichen Fahrkomforts“ sowie „eine neue Definition des reinen Fahrvergnügens“. Hat es daran am neu entwickelten 911 Carrera 2 der Baureihe 964 etwa gemangelt? Finden wir es einfach heraus.

Auch beim 964: innen alles neu

Ein schwarzer 911 Carrera 2 Tiptronic von 1991 stellt sich zum Vergleich mit dem samtroten 944 Turbo S. Die Grundform der Elfer-Karosserie, im Designer-Jargon „Greenhouse“ genannt, reicht noch weiter zurück als die 924er-Anfänge des 944. Die darunter verbaute Technik hat mit dem 911-Urmodell von 1963 nur den luftgekühlten Sechszylinder-Boxer im Heck sowie den Hinterradantrieb gemein. Anstelle eines Turboladers wie beim 944 gibt es beim Elfer Hubraum satt: exakt 3600 Kubikzentimeter.

Porsche baute nur 1635 944 Turbo S

Mit großer Neugier beginnen wir deshalb die Probefahrten im 944 Turbo S, von dem nur 1635 Exemplare entstanden sind. Entsprechend gering ist das Angebot an gepflegten Exemplaren. Und noch immer sieht das aus dem Jahr 1975 stammende, vom 924 übernommene Grunddesign des 944 attraktiv und vor allem zeitlos aus. Nur die heute komplett verbannten Klappscheinwerfer und die nahezu kühlerlose Fahrzeugnase verraten das wahre Alter.

Porsche 944 Turbo S Foto: Hans-Dieter Seufert
Der 944 bekam 1985 ein neues, dynamischer gestaltetes Cockpit.

Hinter dem Lenkrad Platz genommen, entdecken wir eine weitere Reminiszenz an die frühen 70er-Jahre: Der mit voluminösen Recaro-Sesseln aufgewertete 944 bietet seinen Passagieren relativ wenig Raum, und der Fahrer sitzt ziemlich nah an der Windschutzscheibe. Dafür wirkt das Halbleder-Mobiliar mit seiner zentralen Nadelstreifen-Optik überaus wertig. Auch das ab 1985 schwungvoll neu gestaltete Armaturenbrett macht sich gut, weniger die darunter lustlos verteilten Kippschalter, Drehknöpfe und Schieberegler für die Klimatisierung.

Schon beim Anfahren empfiehlt es sich, den bissigen Turbo-Vierzylinder bei Drehzahl zu halten. Wer bei weniger als 2500/min einkuppelt, riskiert es, den ruhig und sittsam laufenden Vierzylinder abzuwürgen. Auch auf gut ausgebauten Landstraßen sollte die Motordrehzahl später nicht unter 3500/min fallen, wenn man zügig vorankommen möchte. Erst ab 4000/min zerrt der Vierzylinder-Turbo mächtig und fast schlagartig an seinem nach hinten versetzten Getriebe. Die Nadel des Drehzahlmessers eilt dann wie aufgeschreckt in Richtung roter Bereich, der bei 6400/min beginnt. Wer also das hohe PS-Potenzial des 944 Turbo S ausnützen möchte, der darf fleißig schalten und nicht vor hohen Drehzahlen zurückschrecken. So klappt auch der Sprint von null auf 100 km/h in beachtlichen 5,9 Sekunden.

Transaxle-Porsche mit Turboloch

Die ausgewogene Gewichtsverteilung der Transaxle-Bauweise, üppig dimensionierte Hinterreifen und die im höheren Drehzahlbereich fein dosierbare Turbokraft machen den 944 zum gut kontrollierbaren Kurvenräuber auf kleinen Nebenstraßen. Trotzdem fühlt er sich durch das ausgeprägte Turboloch bei gelegentlichen Bummelfahrten und im Stadtverkehr etwas schwer und träge an. Ist das die von Porsche angekündigte „ganz neue Definition des sportlichen Fahrkomforts“? Mal sehen, was der gute alte neue Carrera 2 so draufhat.

Er ist 3,5 Zentimeter höher als der 944. Das spürt man bereits beim bequemeren Einstieg. Innen scheint der Elfer deshalb auch etwas geräumiger und heller als der 944, obwohl dieser seinen Heckmotor-Bruder in der Breite um fünf Zentimeter übertrifft. Das ähnlich gestaltete Armaturenbrett zeichnet sich durch fünf Rundinstrumente aus. Darunter befindet sich wie beim 944 Turbo ein bis 300 km/h reichender Tachometer, während im Elfer der Drehzahlmesser zentral angeordnet ist.

Grundrauschen im Elfer-Heck

Traditionell starten wir den Sechszylinder-Boxer mit dem links vom Lenkrad angebrachten Zündschlüssel. Sofort ertönt von hinten ein dezentes Wummern in Begleitung mit dem typischen Grundrauschen aller luftgekühlten Elfer. Mit einem Tritt auf das Bremspedal ziehen wir den Tiptronic-Wählhebel auf Fahrstufe D, nehmen den Fuß von der Bremse und rollen im Standgas an.

Porsche 911 Carrera 2 Tiptronic (964) Foto: Hans-Dieter Seufert
Der Elfer-Fahrer hat mehr Platz und schaut auf einen zentralen Drehzahlmesser.

Wieder fahren wir auf bergigen Landstraßen. Der Tiptronic-Elfer kombiniert dabei den Antriebskomfort eines Cadillac mit der Agilität eines Mini Cooper. Verblüffend, wie weich und früh die Viergangautomatik die Gänge wechselt und wie mühelos und zielgenau sich der Carrera 2 durch die engsten Kurven lenken lässt. Es gibt beim Beschleunigen auch kein Turboloch, weil der 3,6 Liter große Sechszylinder-Sauger bereits im unteren Drehzahlbereich wirkungsvoll zur Sache geht.

Jetzt schieben wir den Tiptronic-Hebel nach rechts in die manuelle Schaltgasse und nutzen die Viergangautomatik wie ein sequenzielles Getriebe. Beim Ausdrehen der ersten zwei Gänge zeigt der Boxer den Biss der alten Tage und nimmt zunächst bellend, dann kreischend Fahrt auf.

Porsche 944 Turbo S 911 (964) Foto: Hans-Dieter Seufert
Heck- oder Frontmotor? Eine süße Qual der Wahl.

Obwohl die Tiptronic etwas Leistung schluckt, wirkt der Elfer fast genauso agil wie der 944 Turbo, fährt aber insgesamt souveräner und damit auch nervenschonender. Verkehrte Porsche-Welt: So entpuppt sich am Schluss der modern konzipierte 944 Turbo S als wilder Hund für den Sportfahrer, während der Carrera 2 in allen Lebenslagen wahres Fahrvergnügen produziert.