Porsche 911 Turbo S 3.6 X85 von 1994

Flachschnauzer für eine Dreiviertelmillion

Ein Porsche 964 für eine Dreiviertelmillion, der nicht von Singer ist? Ja, das gibt’s. Denn 911 Turbo mit Tuning ab Werk sind selten und teuer. So wie dieses Einzelstück in Speedgelb.

Porsche 911 Turbo S X85 Flat nose (1994) Foto: RM Sotheby's 29 Bilder

Umgerechnet rund 763.600 Euro brachte ein Porsche 911 Turbo S, den RM Sotheby's am 26.1.2023 in Phonix, Arizona versteigert hat. Der speedgelbe 964 sei wegen der Kombination aus Leistungssteigerung, flacher Front und Lackierung einzigartig, erklärt das Auktionshaus.

X85-Turbo mit mehr Kraft und flacher Schnauze

Eine Besonderheit ist auf den ersten Blick von vorn sichtbar, die zweite bemerken Kenner an den Flanken und am Heck: Lufteinlässe in den hinteren Seitenteilen und vier Auspuffendrohre weisen auf die Leistungssteigerung hin. Ein größerer Turbolader und diverse Detailänderungen wie größere Einspritzdüsen und eine geänderte Nockenwelle steigern die Leistung von serienmäßigen 360 auf 381 PS. Manche Quellen nennen 385 hp, was 390 PS wären. Ein Fünfganggetriebe (G50) und ein 40-Prozent-Sperrdifferenzial übertragen die Kraft auf die hinteren Räder. Das Fahrwerk vom Porsche 911 Turbo ist neu abgestimmt, die Karosserie etwas näher an die Straße gerückt. Dreiteilige Speedline-Räder im 18-Zoll-Format sind Teil des Pakets.

Porsche 911 Turbo S X85 Flat nose (1994) Foto: RM Sotheby's
In der Seitenansicht fallen an diesem 964 Turbo zwei Dinge auf: Der Lufteinlass im Seitenteil und die flache Schnauze.

Auffällig ist der X85-Turbo jedoch nicht wegen der speedgelben Lackierung oder der Tieferlegung. Statt aufrechter Kotflügel, wie seit 1963 beim 911 üblich, hat dieser Umbau von Porsche Exclusive Klappscheinwerfer vom 968 in der Front. Diese handgefertigte "Flat-Nose" war extrem teuer und selten: Nur 39 Exemplare baute Porsche für den amerikanischen Markt. Der Neupreis lag 1994 bei 162.000 US-Dollar. Umgerechnet war das etwa eine Viertelmillion Mark.

Flachbau: X83, X84, X85

Für Japan, USA und den Rest der Welt baute Porsche den 964 Turbo mit stärkerem Motor und flacher Schnauze als Sonderserie. Die zehn Rechtslenker für Japan hatten Klappscheinwerfer im Stil des 930 Flachschnauzers und das Kürzel X83. Weitere zwölf Rechtslenker und 15 Linkslenker für den Rest der Welt haben Scheinwerfer im 968-Stil und das Kürzel X84. Für die USA waren 39 Linkslenker mit 968-Scheinwerfern und dem Kürzel X85 bestimmt. Zuletzt wurde eine "Slantnose" für 654.000 Dollar verkauft.

Package: 17 Turbo S für die USA

Insgesamt baute Porsche zwischen 51 und 55 Turbo S mit Werksleistungssteigerung (WLS) auf 381 PS. Von diesen gingen 17 Exemplare in die USA, die dort als "Package" bezeichnet werden. Sie haben das Kürzel X85 in der Ausstattungsliste, Luftlöcher in den Seitenteilen hinter den Türen, 18-Zoll-Speedline-Aluräder wie der Leichtbau-Turbo sowie vergrößerte Front- und Heckspoiler.

Porsche 911 Turbo S 3.6 964 X88 package (1994) Exterieur Foto: bringatrailer.com
Umgerechnet 1,2 Millionen Euro kostete dieser "Package"-911-Turbo Anfang Dezember 2022 auf bringatrailer.com.

Exakt 1,265 Millionen US-Dollar (1,2 Millionen Euro) kostete ein Porsche 911 Turbo, der Anfang Dezember 2022 auf der Auktionsplattform bringatrailer.com versteigert wurde. Laut Beschreibung des Händlers handelt es sich um einen von 17 Turbo S 3.6 "Package", der mit einigen speziellen Ausstattungsmerkmalen nach Nordamerika verkauft wurde.

X88: 3,6-Liter-Boxer mit 381 PS

Der 911 Turbo der Baureihe 964 ist mit einigen Kürzeln aus der Exclusive-Abteilung ausgestattet: X88 für die Leistungssteigerung zum Beispiel. Modifizierte Zylinderköpfe und Nockenwellen, ein größerer Turbolader und mehrere Detailänderungen steigern die Leistung auf 381 PS. Getriebe und Kupplung sind an die Mehrleistung von 21 PS angepasst; ein Sperrdifferenzial hilft, die Leistung auf die Straße zu bringen. Vom 3,6-Liter-Boxermotor mit dem Kürzel M64/50 ist beim Öffnen der mit einem riesigen Flügel versehenen Motorklappe wenig zu sehen: Ladeluftkühler, Gebläserad und Klimakompressor versperren den Blick auf den Sechszylinder. Von außen ist ein X88-Turbo an vier Endrohren zu erkennen.

Der "Package"-Turbo hat seitliche Lufteinlässe (X99) sowie Front- (X92) und Heckspoiler (X93) aus dem Exclusive-Programm. Dreiteilige 18-Zoll-Cup-Räder von Speedline komplettieren den Auftritt. Der angebotene 964 ist schwarz lackiert, hat schwarze Ledersitze mit elektrischer Einstellung sowie Schiebedach und CD-Wechsler.

Das nun verkaufte Auto hatte RM Sotheby’s am 27. Oktober 2018 bei einer Auktion in Atlanta/Georgia angeboten. Der Schätzpreis lag bei 775.000 bis 950.000 US-Dollar, ein Verkauf kam nicht zustande. Neu hatte das Auto 126.360 Dollar gekostet.

Leichtbau, Flachschnauze, Package

Nachdem Porsche 1988 das ehrgeizige Projekt 965 als 959-Nachfolger gestoppt hatte, fehlte ein Topmodell für den frischen 964. Zunächst übernahm deshalb der 3,3-Liter-Turbomotor aus dem Vorgängermodell diesen Part. Erst 1993 folgte eine weiterentwickelte Version mit 3,6 Liter Hubraum und 360 PS. Dazu kamen diverse Sonderserien, von denen drei besonders bemerkenswert sind.

911 Turbo S Leichtbau

Im Modelljahr 1993, also nach den Werksferien 1992, baute Porsche Exclusive das Sondermodell Turbo S Leichtbau, das mit 381 PS Leistung und 1.290 Kilogramm Leergewicht der wildeste aller 964 war. Ähnliche Maßnahmen wie beim Carrera RS senkten das Gewicht um 180 Kilogramm: Klimaanlage, Servolenkung, Rücksitze, Lärmdämmung flogen raus. Die Scheiben wurden durch dünneres Glas ersetzt, Hauben und Türen bestanden aus GFK.

Der Preis lag bei 295.000 Mark. Das waren rund 90.000 Mark mehr, als für einen 911 Turbo fällig waren. Dafür gab es einen Elfer, der in 4,7 Sekunden von null auf 100 km/h beschleunigte und 290 km/h Spitze erreichte. Zuletzt lagen die Preise für Leichtbau-Turbos bei Auktionen zwischen 1,1 und 1,3 Millionen Dollar, umgerechnet rund 1,0 bis 1,2 Millionen Euro.