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5 legendäre Tuning-Autos von zart bis hart
Ist Tuning Sünde oder einfach nur geil? Fünf mögliche Antworten der 70er bis 90er. Leistung satt von Brabus E V12 bis Ruf Yellowbird.
28.08.2025 Hans-Jörg Götzl, Peter Michaely, Andreas Of-Allinger, Michael Orth, Michael Schröder
Zugegeben, ein Power-Youngtimer wie der Ruf CTR bleibt ein ferner Traum, denn er ist im Grunde unbezahlbar. Doch keine Bange: Auch für Fans mit schmalerem Geldbeutel gibt es Erschwingliches.
Uauffällig? Lieber nicht!
Dabei muss bezahlbar nicht unauffällig bedeuten: Wer rund 60.000 Euro in einen Mercedes SL der Baureihe R 107 investiert, bekommt entweder ein prima Originalexemplar aus gutem Hause mit einwandfreier Historie – oder einen raren Koenig Special, der mit Bodykit im Testarossa-Stil, Thekenspoiler und XXL-Breitreifen auf dicke Hose macht.
Das geht natürlich auch dezenter: Kaum einer ahnt, was in einem 5er-BMW steckt, den Herbert Hartge in den Fingrn hatte, oder welche Kraft unter der Haube eines Irmscher Senator schlummert. Ganz zu schweigen von einem Brabus E V12, bei dem Wahnsinn, handwerkliches Können und Understatement eine reizvolle Allianz eingehen.
Andreas Of-Allinger über den Brabus E V12
- Motor: V12, 7.258 ccm
- Leistung: 582 PS
- Gewicht: 1.850 kg
- Höchstgeschwindigkeit: 330 km/h
- Bauzeit: 1996
- Neupreis: 457.700 Mark
Wo Rauch ist, da ist auch Feuer. Das brennt im Bug des Brabus E V12 lichterloh unter der vorderen Haube. Schon die serienmäßigen 394 PS des M-120-V12 aus der S-Klasse würden der kleineren E-Klasse mächtig Beine machen und das damalige Spitzenmodell E 50 AMG mit seinen 347 PS etwas blass aussehen lassen. Doch Brabus beließ es nicht beim Engine Swap, sondern tat, was ein Tuner macht, wenn er einen Motor auf die Werkbank bekommt: Er tunt ihn. Was eine fast schon harmlose Umschreibung ist für das, was dem stockseriösen Zwölfzylinder aus dem staatstragenden 600 SE in Bottrop passierte: Eine neue Kurbelwelle mit mehr Hub und eine weitere Bohrung steigern den Hubraum von sechs auf 7,3 Liter. Geänderte Ventilsteuerzeiten bringen mehr Luft in die Zylinder und damit mehr Leistung und Drehmoment: 582 PS bei 6.000/min und 772 Newtonmeter bei 4.000/min stehen im Datenblatt. Da ist es nur folgerichtig, dass der Motor mit rot lackierten Zylinderköpfen und schwarzen Ansaugrohren gefährlicher aussieht als das Serienaggregat.
Das Ganze steckte im Fall des Testwagens, den auto motor und sport für Heft 21/1996 fuhr, in einer schwarz lackierten E-Klasse mit 18-Zoll-Rädern und dezenter Spoilerlippe vorn.
Mit der Zurückhaltung, Sie ahnen es, war es vorbei, als der Testfahrer voll aufs rechte Pedal stieg: Aus dem Stand beschleunigte der E V12 (mit "Reifenqualm bis 90 km/h") in 4,9 Sekunden auf 100. Erst bei 330 km/h endeten Vortrieb und Tacho-Skala. Keine Limousine war zu der Zeit schneller.
Hans-Jörg Götzl über den Hartge-BMW 528
- Motor: R6, 2.966 ccm
- Leistung: 230 PS
- Gewicht: 1.450 kg
- Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h
- Bauzeit: 1976 bis 1981
- Preis*: 25.000 Euro
Die Leidenschaft für BMW liegt bei uns vermutlich in der Familie. Zwar habe ich es bislang schon zu mehreren Serienautos aus München gebracht, aber – bis auf wenige Testfahrten – noch nie zu einem Tuning-BMW, etwa aus dem Hause Alpina, Hartge oder Schnitzer. Das ist höchst bedauerlich, nicht zuletzt, weil mir mal ein BMW-Vorstand anvertraut hat, die drei Genannten bauten jene Autos, die sie eigentlich selbst gerne herstellen würden, mit Blick auf die Verkaufszahlen aber nicht dürften.
Derlei Bedenken werden verständlich, sobald man den von Ex-Rennfahrer und -teamchef Herbert Hartge auf drei Liter aufgebohrten Reihensechszylinder des 528 anwirft: Dank dreier Weber-Doppelvergaser inhaliert der 230 PS starke Motor so herrlich rotzig röhrend, wie es sonst nur ein Maserati aus den 60ern kann. Für Motorenliebhaber ist das ein einziger Genuss, den Nachbarn indes dürfte es schon in den 80ern nur bedingt gefallen haben. Dafür hält sich der Hartge-BMW äußerlich wohltuend zurück; einzig die Felgen und breiteren Reifen deuten auf sein Potenzial hin. Passend dazu gibt es innen zwei Zusatzinstrumente für Öldruck und -temperatur sowie ein Sportlenkrad.
Die robusten M30-Motoren haben die Mehrleistung sicher locker weggesteckt. Ärgerlich hingegen war immer das rostanfällige Blechkleid des E12, das von außen zum Teil noch gut aussah, wenn sich darunter nur noch brauner Blätterteig befand. Ein zum Verkauf stehendes Auto aufzutreiben, ist daher heute das größte Problem, ein angemessener Preis schwer einzuschätzen.
Michael Orth über den Irmscher Senator 4.0i
- Motor: R6, 3.983 ccm
- Leistung: 272 PS
- Gewicht: 1.640 kg
- Höchstgeschwindigkeit: über 250 km/h
- Bauzeit: 1990 bis 1993
- Preis*: 30.000 Euro
Es ist ihm nicht gleich anzusehen. Irmschers Vierliter-Senator sieht, anders als der Omega Evolution 500, der mit Spoiler und Theke ebenfalls bei Irmscher entstanden war, wie ein normaler Opel aus. Gerade das begründet seinen Reiz. Er entspricht so gar nicht den Erwartungen respektive Vorurteilen. Vielleicht, weil er ja streng genommen ein Opel gar nicht ist, zumindest den Fahrzeugpapieren folgend. Da taucht der Name Opel nicht auf, benannt wird als Hersteller: Irmscher.
Das Haus steht seit den 1960er Jahren in enger Verbindung zur Marke Opel und machte sich vor allem mit sportlichen Entwicklungen und Individualisierungen einen Namen. Unter anderem siegten auch Walter Röhrl und Johnny Cecotto mit Autos, die in Remshalden bei Stuttgart optimiert worden waren.
Sportlich aber ist der Irmscher Senator 4.0i nicht. Er ist souverän, groß, komfortabel, "eine Synthese aus Kraft und Kultur ... Die exquisite Alternative für Individualisten, die Qualität an höchsten Ansprüchen messen." So zumindest charakterisiert ein Prospekt das Spitzenmodell des Hauses. Und hat damit völlig recht. Wer meint, das sei alles wohl ein wenig übertrieben, der jage einmal nur den Vierliter-Sechszylinder durch das Drehzahlband – und schweige dann für immer. Bei dieser Kombination aus Laufkultur und Leistungsentfaltung bleibt einem die Luft weg. Und doch gibt es einen, der auch diesen Senator in den Schatten stellt. Der Irmscher Omega Caravan mit demselben Antrieb, leider nur elf Mal gebaut.
Michael Schröder über den Koenig Specials 350 SL
- Motor: V8, 3.499 ccm
- Leistung: 200 PS
- Gewicht: 1.600 kg
- Höchstgeschwindigkeit: 212 km/h
- Bauzeit (SL-Baureihe): 1971 bis 1989
- Preis*: 60.000 bis 70.000 Euro
Nein, mehr dicke Hose als ein Mercedes-Benz 350 SL, der in der Tuning-Schmiede Koenig Specials zu einem bespoilerten XXL-Muskelpaket aufgeblasen wurde, geht nicht. Aber genau deswegen standen sie alle bei Willy Koenig in München Schlange, vor allem Kiezgrößen, Boxpromoter und Playboys. Besonders gefragt waren natürlich Koenigs wilde Twinturbo-Umbauten, aber, klar, eben auch jene verwegenen Breitbau-Bodykits im Ferrari-Testarossa-Look, die der Firma Ende der 70er und in den 80ern schließlich zu einem weltweiten Bekanntheitsgrad verholfen haben, bevor Hausschmieden wie AMG oder die M GmbH die Bühne betraten.
Zum Paket für unseren SL gehören natürlich auch ein neuer Frontspoiler, vordere Kotflügelverbreiterungen und mächtige Türschweller. Koenigs Markenzeichen jedoch bleibt dieses überbreite Heck mit seinen seitlich angedeuteten Kühlrippen, die bei einem Frontmotor-Sportwagen ohnehin keine Funktion hätten. Es ging Willy Koenig aber auch vielmehr darum, unter seinem Plastikanbau möglichst fette Räder zu beheimaten, im Fall des 350 SL sogar sagenhafte Dreifünfundvierziger. Obendrauf noch ein bügelbrettgroßer Flügel – fertig war der klassische Koenig-Look.
Tatsächlich beließen es die meisten Kunden bei den rein optischen Maßnahmen. Ein Grund könnte gewesen sein, dass die dampfwalzenbreiten Reifen einem Fahrer das Leben nicht wirklich leichter machen. Aber man musste es ja auch keinem verraten, dass unter der Haube nur ein stinknormaler 350er sitzt.
Peter Michaely über den Ruf CTR "Yellowbird"
- Motor: B6-Biturbo, 3.367 ccm
- Leistung: 469 PS bei 5.950/min
- Gewicht: 1.150 kg
- Höchstgeschwindigkeit: 342 km/h
- Bauzeit: 1987 bis 1991
- Preis*: bis zu rund 5,5 Mio. Euro
Er wird beinahe mystisch verklärt, war bereits eine Legende, als ich vor 25 Jahren Volontär bei auto motor und sport wurde. Damals stand Vollgasfahrer Stefan Roser längst im Ruf, die graue Eminenz in der Lenk-und-Drift-Abteilung des Hauses zu sein – ebenjener Stefan Roser, der 1987 einen Ruf CTR über die Nürburgring-Nordschleife gepeitscht hatte, dass es nicht bloß Novizen der schreibenden Auto-Zunft kalte Schauer über den Rücken jagte, gefühlt im Permanent-Drift, noch heute zu bewundern und millionenfach geklickt auf YouTube.
So spektakulär diese Fahr-Demonstration wirkt: Die Stärke des gestrippten Ruf CTR besteht darin, dass er seine Muskeln gerade nicht wie ein Bodybuilder zur Schau stellt. Heutzutage ist er pures Understatement, verpackt in eine schmale Elfer-Karosserie. Dennoch ist er unglaublich schnell, bremst atemberaubend gut, hat Power im Überfluss. Sein Charisma ist überwältigend. Mit dem CTR, Spitzname "Yellowbird", setzte sich die Ruf Automobile GmbH in Pfaffenhausen ein Denkmal. Er war schneller als ein Ferrari F40 oder der Porsche 959 aus Zuffenhausen.
469 Biturbo-PS muten heute fast schon bescheiden an, doch es wird gemunkelt, dass es eigentlich um die 500 gewesen sein sollen. Abseits von Umrüstungen wurden 29 Original-CTR gebaut, sechs in Gelb. Das treibt den Preis in astronomische Höhen: Anfang März versteigerte Gooding die gelbe Nummer 26 von 1989 mit einer Laufleistung von nur 1.673 Kilometern – für 6,055 Mio. US-Dollar (5,57 Mio. Euro) inklusive Aufgeld.