Fahrbericht Renault 21 2L. Turbo (1987)

Mittelklasse-Renault, so schnell wie ein 500 SE

Einen viertürigen Renault, der 1987 auf der Autobahn mit einem Mercedes 500 SE locker mithalten konnte? Den gab es tatsächlich. Er hieß Renault 21 2L Turbo und kostete mit seinen 40.000 Mark mehr als das Doppelte der Basisversion. Und so fährt er sich heute.

Renault 21 2L Turbo (1987) Foto: A. Emmerling/Renault 13 Bilder

Vor über 30 Jahren löste die Bezeichnung „Turbo“ am Heck eines Automobiles unter Kennern noch ein bewunderndes „Boooaah“ aus: viel Leistung, teures Topmodell, schwierig zu fahren, Sprit- und Reifenfresser, etwas für Könner eben. Der Abgas-Turbolader verlieh auf relativ simple Art hubraumschwachen Vier- und manchmal auch Sechszylinder-Motoren Flügel. Mitsubishi, Lancia, Lotus, Maserati, Porsche, Renault und Saab gelten heute als die großen Turbo-Pioniere der Achtziger.

Renault gewinnt mit Turbo

Renault trieb es dabei am tollsten. Angestachelt durch den ersten, hart erarbeiteten Turbo-Sieg in der Formel 1 mit dem komplett in Frankreich entwickelten Monoposto RS10 im Jahr 1979, setzten die Franzosen auch bei den Topversionen ihrer Serienautos konsequent auf Turbo-Aufladung. Es begann 1980 mit der unscheinbaren Familienkutsche Renault 18 Turbo. Dann folgten das Mittelmotor-Monster Renault 5 Turbo, Renault 5 Alpine Turbo, Renault Fuego Turbo, Renault 11 Turbo, Renault 9 Turbo, Renault 5 GT Turbo, Alpine-Renault V6 Turbo, Renault 21 Turbo, Renault 25 V6 Turbo und Renault Safrane Biturbo mit 268 PS und 250 km/h Spitze im Jahr 1993.

Originell und schnell: R21 Turbo

Renault 21 2L Turbo (1987) Foto: A. Emmerling/Renault
175 PS leistet der längs installierte Zweiliter-Turbo.

Der R 21 Turbo zählt dabei zu den schnellsten und originellsten Autos aus dem Renault-Portfolio. Begnügte sich der Vorgänger R 18 Turbo noch mit 132 PS aus 1,6 Liter Hubraum, stemmt der aufgeladene Zweiliter-Vierzylinder des R 21 stramme 175 PS auf den Asphalt. Die Tester von auto motor und sport ermittelten 230 km/h Spitze und 8,2 Sekunden für den Sprint von Null auf 100 km/h. Dabei kamen die schmalen 195/55-Reifen an der Vorderachse schnell an ihre Haftgrenze und der Turbo-Pilot beim Kurvenräubern ins Schwitzen. „Der normale Autofahrer wird von so einem Fahrverhalten klar überfordert“, schrieb 1987 das Fachblatt in einem Testbericht. Stimmt das wirklich? Wir wollen es jetzt ausprobieren.

Feuer unterm Giugiaro-Dach

Doch zuerst zieht die originelle, von Giugiaro entworfene Stufenheck-Karosserie unsere Blicke auf sich. So muss ein über 4,6 Meter langes Familienauto aus den Achtzigern aussehen: schnurgerade Linien, riesige Fensterflächen, dünne Dachpfosten, ein leicht erhöhtes Heck und ein schmaler Kühlluft-Schacht zwischen den Rechteckscheinwerfern. Schon ein normaler Renault 21 würde im heutigen Straßenverkehr inmitten der großmäuligen, buckligen, fast fensterlosen SUV wie eine Gazelle unter Warzenschweinen auffallen. Erst recht unser roter Turbo mit Heckspoiler, Nebelscheinwerfern und markanten Rundum-Schwellerleisten – als könne er genau so viel Groundeffekt erzielen wie sein RS10-Vorgänger in der Formel 1.

Glutrote Skalen, pflaumenweiche Sitze

Renault 21 2L Turbo (1987) Foto: A. Emmerling/Renault
Glutrote Skalen weisen auf das Feuer hin, das ab 3000/min lodert.

Innen setzt sich der Sportlook konsequent fort: Mehrere Rundinstrumente mit glutroter Skalierung einschließlich Ladedruckanzeige, das typische Renault-Turbo-Lederlenkrad mit den drei breiten Metallspeichen und Sportsitze mit stark ausgeprägten Seitenwangen, die den Fahrer ans Auto fesseln. Die Sitze sind in Wirklichkeit jedoch ziemlich weich und halten vor allem durch ihren robusten Stoffbezug den Fahrer auf Position. Der genießt wegen der niedrigen Gürtellinie den Panorama-Blick auf Motorhaube und Straße. Die großen Fenster bringen außerdem viel Licht ins Auto, das innen deshalb hell und geräumig wirkt. Man kann kaum glauben, dass dies eine Sportlimousine sein soll, weil ihr alles Düstere und Bedrohliche moderner AMG-, RS- und M-Boulevardrenner fehlt.

So fährt er sich: ganz brav. Anfangs

Und so brav wie er aussieht, so fährt sich der R 21 Turbo auch am Anfang. Keine Kieslaster-Kupplung, keine harte Klack-Klack-Schaltung wie im Ferrari, keine jaulende, drehzahldurstige Maschine zum Anfahren. Eine ganz normale Familienkutsche eben, ein ganz normaler, bequem zu fahrender Franzose. Gäbe es nicht die roten Zahlen von Drehzahlmesser und Tacho, der erst bei 260 km/h endet, sowie die kleine, noch inaktive Ladedruckanzeige, könnte man glatt vergessen, in einer 175 PS starken und nur 1.230 Kilogramm leichten Sportlimousine zu sitzen. Dann wollen wir mal die Pferdchen wecken.

Turbo-Bumms bei 3.000/min

Bereits ab 3000/min, wenn der Zweiliter-Turbo mit 270 Newtonmeter seinen Drehmoment-Peak erreicht hat, sollte man bei voller Beschleunigung in den unteren Gängen das Lenkrad fest im Griff halten. Fahrbahn-Längsrillen und einzeln durchdrehende Vorderräder lassen den roten Renault nach links und rechts ausbüchsen. Rasches Gegenlenken und zügiges Hochschalten hilft, ab etwa 80 km/h zieht der Franzose dann schnurgerade seine Bahn und entpuppt sich mit 4.500/min im Fünften bei rund 180 km/h als angenehm leiser Autobahn-Gleiter. Darüber hinaus wird es allerdings laut und teuer, es fließen bis zu 18 Liter/100 km durch die Einspritzanlage.

Kurven? Untersteuern

Renault 21 2L Turbo (1987) Foto: A. Emmerling/Renault
Kurven nimmt der R21 Turbo untersteuernd.

Enge Kurven nimmt der kopflastige Fronttriebler auf typische Renault-Art – als braver Untersteurer, der mit starkem Lenkeinschlag durch die Biegung gezwungen werden muss. Die ab 1990 angebotene Allrad-Version „Quadra“ bietet naturgemäß etwas mehr Grip beim Beschleunigen, doch das höhere Gewicht und nur 162 katalysatorgereinigte PS führen zu etwas schlechteren Fahrleistungen gegenüber dem 175 PS-Modell. Wer sich für einen R 21 2L Turbo interessiert, der sollte deshalb den Fronttriebler bevorzugen.

Karosserie-Check

Auf der Hebebühne sollte der Zustand des vorderen Hilfsrahmens genau inspiziert werden. Haben sich in den vielen Hohlräumen Rostnester gebildet, wird es kritisch. Das Bauteil ist nicht mehr erhältlich – auch nicht über französische Quellen. Ebenfalls auf Korrosion müssen die Wagenheberaufnahmen und Schweller geprüft werden. Letzteres gestaltet sich aufgrund der davor sitzenden, mit Nieten befestigten Kunststoffschweller der Turboversion schwierig. Außer Roststellen an den hinteren Türöffnungen und den Tank-Haltebändern ist der R21 in Sachen Rost eher unauffällig.

Technik-Check

Renault stattete den Zweiliter-Motor für den Turbobetrieb mit vielen hochwertigen Zutaten aus: verstärkte Pleuel und Kurbelwelle mit Schwingungsdämpfer, natriumgekühlte Auslassventile und zwei Ladeluftkühler. Im Im Juni 2007 gab es eine Rückrufaktion wegen fehlerhafter Ölleitungen am Turbolader. Der Motor gilt sonst als robust. Der Turbolader sollte ohne Geräusche laufen und der Krümmer dicht sein. Getriebe, Kupplung und Antriebswellen unterliegen bei sportlicher Fahrweise einem höheren Verschleiß.

Preise

Leider ist das Angebot zumindest in Deutschland extrem begrenzt. Bessere Chancen hat man in Frankreich und in den Niederlanden, wo man den Wagen mehr zu schätzen weiß und er bereits Kultstatus genießt. Schnäppchen sind bei gepflegten Modellen deshalb nahezu ausgeschlossen, der Mindesteinsatz liegt bei 6.500 Euro.

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage

Fazit

Der Renault 21 Turbo gehört zu den interessantesten Renault seiner Zeit und zu den schnellsten Mittelklasse-Limousinen der 80er-Jahre. Wenige haben den Viertürer auf dem Schirm, dabei kann er viel über die Sturm-und-Drang-Zeit des Automobils erzählen. Leistung und Charakteristik des Turbomotors machen die Technik erlebbar. Einen zu kaufen, ist weder teuer noch ein Risiko. Schwieriger ist es, einen zu finden.