Sachsen Classic 2016

Vom Rennfahrer zum Autohändler in Westsachsen

Es gibt Unternehmer, die nach der Wende ihre Chance nutzten, in den Osten gingen, dort etwas aufbauten und auch blieben. Bernd Siller, ehemaliger Motorsportler und Ford-Händler, ist einer von ihnen.

Sachsen Classic 2016, besico, Bernd Siller Foto: Achim Hartmann 6 Bilder

Mit acht Standorten in Sachsen ist Ford besico der führende Ford-Vertragshändler zwischen Crimmitschau, Chemnitz und Johanngeorgenstadt. Firmengründer Bernd Siller kam vor 26 Jahren nach Sachsen und baute dort Schritt für Schritt seine Ford-Präsenz auf. Wie kam aber jemand, der Motorsport betrieb und in Nürnberg ansässig war, direkt nach der Wende in ein neues Bundesland?

Rennfahrer und Wirtschaftswissenschaftler

Bernd Siller kann viel erzählen. Der ehemalige Tourenwagen-Fahrer gründete bereits 1975 ein Einzelunternehmen mit dem Namen „besico Bernd Siller“. besico steht dabei für „Bernd Siller Competition“ und kommt von einem Tourenwagen-Rennteam Mitte der 70er-Jahre. Siller, der Wirtschaftswissenschaften studierte, schaffte über zehn Jahre lang den Spagat zwischen Unternehmertum und Rennsport. Er fuhr in der Tourenwagen-Europameisterschaft mit und gewann 1976 in der 3-Liter-Klasse. Weitere Siege bei internationalen Rennsportveranstaltungen und zweimal der zweite Platz in Monza sind ebenso bemerkenswert.

Nun muss man wissen, dass Bernd Siller aus dem Erzgebirge stammt: Er wurde in Hormersdorf geboren und gilt damit als echter Sachse. Genau diese Tatsache ist mit dafür verantwortlich, dass der Unternehmer bereits zu DDR-Zeiten eine große Popularität genoss, ohne es aber zu wissen.

„In der DDR gab es keine internationalen Autorennen. Die rennsportbegeisterten Bürger sogen aber alles auf, was sie an Lektüre und Veranstaltungen bekommen konnten.“ Der Traum war es, großen Motorsport, wie man ihn vom Hörensagen aus dem Westen kannte, selbst zu erleben. Daher behalf man sich mit der Formel Easter, einer Art Formel 1 des Ostens für einsitzige Rennwagen mit 1,3 bis 1,6 Liter Motoren, die aus Ladas stammten und dementsprechend aufgebohrt wurden. Es gab sogar einen Ostblock-Pokal, um den gekämpft wurde.

Der Große Preis von Brünn

Siller nahm von 1976 bis 1983 am Grand Prix von Brünn (Tschechien), dem damals größte Autorennen im Ostblock, einem Lauf zur Tourenwagen EM teil. Mehr als 200.000 Besucher kamen, es war für die Stadt und das Land eine große Sache. Die Rennfahrer-Prominenz stellte sich ein, Brünn verwandelte sich nach Aussagen Sillers in eine Art „Mekka des Motorsports“.

Unter den Gästen befanden sich auch rund 80.000 Sachsen. Hier durften sie hinreisen und konnten ihren Motorsport feiern. Da Bernd Siller mehrere Klassensiege einfuhr und ein großer Teil der Besucher aus Ostdeutschland kam, bemühte man sich um einen deutschen Streckensprecher. Der sprach nun aus, was keiner wusste: Siller, der siegreiche Fahrer, kommt ursprünglich aus Sachsen. Und da war es geschehen: Die Menschen dachten an einen von ihnen und konnten sich mit ihm identifizieren. Seitdem hatte Siller zahlreiche Fans in der DDR.

Silvesterfeier für Siller nach der Wende

Viele Kontakte, Bekanntschaften und Freundschaften bildeten sich in den nächsten Jahren; Siller reiste nach dem Ende seiner Karriere als Rennfahrer in die DDR, um sein Geburtshaus zu besuchen. Bei seinen jährlichen Reisen mit Besuchervisum half er den Menschen, wo er konnte, und erwarb sich einen besonderen Ruf. Unmittelbar nach dem Mauerfall veranstalteten seine Fans ein Silvesterfest zum Jahreswechsel 1989/90 für ihn. „Ich war wie geplättet, als dort 250 Leute auf mich warteten.“

So unbeschwert wie damals konnte Siller aber nicht immer reisen. In der Regel dauert es um die zwei Wochen, bis ein Besucher-Visum ausgestellt war. 1987 kam es aber schon nach 48 Stunden. Bernd Siller wunderte sich nicht weiter, bis er einen Anruf vom Militärischen Abschirmdienst bekam, ob er nicht erstaunt sei, dass es diesmal so schnell gegangen wäre. Die Botschaft war unmissverständlich: „Die warten auf Sie.“

Im Fokus der Staatssicherheit

Was der ehemalige Rennfahrer nicht wusste: Nahezu alle Freunde und Bekannte aus der DDR hatten unabhängig voneinander Ausreiseanträge gestellt. Damit war Siller auf einen Schlag in den Fokus der Staatssicherheit geraten, denn anscheinend animierte er DDR-Bürger aktiv zur Ausreise. Deshalb wollte man ihn haben. Siller fuhr nicht. Tatsächlich existierte eine komplette Stasi-Akte über ihn, die er später in der Gauck-Behörde einsehen konnte. Das war ein Schock für den Unternehmer.

Nach dem Silvesterfest 1989/90 stand aber für Siller fest: Er wollte sich in Sachsen einbringen und verwandelte die größte örtliche Kraftfahrzeugwerkstatt in Glauchau bei Zwickau in die besico Sachsenland GmbH mit der Marke Ford. Dabei galt es, die bestehende Produktionsgenossenschaft in eine GmbH umzuwandeln, die in der sozialen Marktwirtschaft bestehen konnte.

Der entscheidende Punkt für den Erfolg war aber, dass Siller alle Erträge in Sachsen reinvestierte. Das machte fast kein Unternehmer, der sich im Osten engagierte, denn die Gewinne der Investoren sollten auch wieder in den Westen fließen. Heute ist sogar sein Nürnberger Unternehmen ein Tochterunternehmen der besico Sachsenland GmbH.

Die besico-Tribüne am Sachsenring

Bernd Siller erwarb auch zahlreiche Grundstücke, darunter eines am Sachsenring. Man plante nach der Wende, den Sachsenring wieder als Motorsportstrecke zu nutzen und bat Siller um sein Urteil. Er untersuchte den Ring und gab unter den damals vorherrschenden Umständen ein negatives Urteil ab. Allerdings wurde etwas später das Fahrsicherheitszentrum ins Leben gerufen. Das war die Hintertür, durch die man an die komplette Sanierung des Sachsenrings gehen konnte. Da die besico Sachsenland GmbH Eigentümer eines entscheidenden Grundstücks am Ring ist, erhielt das Unternehmen die lebenslangen Vermarktungsrechte. Bernd Siller ging noch einen Schritt weiter: Er ließ die besico Tribüne bauen und setzte damit ein „Denkmal“. Die Tribüne samt anliegenden Bauten wird heute von besico bewirtschaftet und auch als Event-Location benutzt.

Kartbahn, Fahrschule und Umstrukturierung

Siller verkaufte in seinem Autohaus die ersten 1.000 Autos nach der Wende vorwiegend an Rentner, denn die hatten Geld gespart und es vorteilhaft umgetauscht. Überhaupt war das Sparbuch bei DDR-Bürgern oft gut gefüllt, denn Leasing und Ratenkauf gab es in der DDR nicht. Um an die Jugend als zukünftige Kundschaft zu kommen, errichtete der Unternehmer eine Kartbahn und gründete eine Fahrschule. Dadurch bereitete er die Firma auf die Zeit nach der Wende vor, wenn das große Geschäft mit Autos abflauen würde. Matthias Steiner, Olympiasieger im Gewichtheben 2008, ist übrigens bekennender besico-Fan. Gleichzeitig reduzierte Siller die große Zahl an Mechanikern und schulte sie für andere Positionen um. Die Ersatzteil-Flaute war Geschichte, daher brauchte man nicht mehr so viele Schrauber, die improvisierten und aus dem Nichts ein funktionierendes Ersatzteil schufen.

Der Marke Ford ist Bernd Siller schon seit der Rennfahrer-Karriere verbunden. Bei der Sachsen Classic 2016 fährt ein Ford Capri 2.8i aus dem Jahr 1983 mit, der von den Geschäftsführern Uwe Schmidt und André Fissel gesteuert wird. Siller konzentrierte sich im Autohandel von Anfang an auf nur eine Marke, tat dies aber mit größter Leidenschaft: „Wenn Ford, dann besico!“

Mehr Informationen zu besico gibt es unter http://www.besico.de