Auktion „The Beast“ mit 27-Liter-Flugzeugmotor
Dass dieses Auto die Emily trägt, ärgert Rolls-Royce
Die absurde Autokreation "The Beast" wird von einem Flugzeugmotor angetrieben. Sie wird bald erneut versteigert – jedoch in anderem Look als beim letzten Mal.
10.11.2025 Thomas Ranki-Harloff
Foto: Historics Auctioneers
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"The Beast"? Wir erinnern uns: Nein, nicht an die gleichnamige Dienst-Limousine des US-Präsidenten. Sondern an eine Auktion vor mehr als zweieinhalb Jahren, bei der ein skurriles Auto versteigert wurde, das genau so hieß, aber das Ergebnis britischen Größenwahns ist. Ein Einzelstück, geboren aus wahnsinnigen Ideen und ambitioniertem Ingenieursgeist. Kein Zweifel, dieses Fahrzeug ist erklärungsbedürftig, erst recht seine extrem bewegte Geschichte. Na dann fangen wir mal an.
Bereits 1966 hatte ein gewisser Paul Jameson den Gedanken, einen Panzermotor in ein eigens dafür angefertigtes Auto-Chassis einzubauen. Die Wahl fiel auf ein Rolls-Royce-Meteor-Triebwerk mit 27 Litern Hubraum, das sich zu diesem Zeitpunkt jedoch in einem bemitleidenswerten Zustand befand. Ein weiterer Mann namens John Dodd bekam den Auftrag, das Getriebe für das Monster zu bauen. Bevor Jameson das Auto fertigstellen konnte, kaufte Dodd es ihm ab und beauftragte die Firma Fibre Glass Repairs damit, eine Karosserie für die Kreation zu fertigen.
Automonster mit Rolls-Royce-Gesicht
Dabei erhielt "The Beast" eine – im Vergleich zu später – recht konservative Formgebung: Nur ein Doppelscheinwerfer pro Seite, dazwischen in Anspielung auf den Motor einen Rolls-Royce-Kühlergrill inklusive der legendären Kühlerfigur "Spirit of Ecstasy", auch bekannt unter ihrem Kosenamen Emily. Die Motorhaube und Flanken waren noch nicht zerklüftet, die hinteren Seitenscheiben sahen aus wie die eines frühen Ford Capri und das Coupé wies ein Stufenheck auf.
Nachdem er es 1972 fertiggestellt hatte, ging Dodd mit seinem Beast auf Tour. 1975 war Schweden das Ziel, was für das Auto dramatisch endete: Auf dem Rückweg von einer Autoshow fing "The Beast" Feuer. Glücklicherweise war es gut versichert und das Chassis blieb weitgehend intakt. Nun baute Dodd einen anderen Rolls-Royce-Motor ein, diesmal aus einem Flugzeug: Den ebenfalls 27 Liter großen Merlin-V12, der – allerdings mit Kompressor-Aufladung – die britischen Spitfire-Kampfflugzeuge befeuerte. Dieser Saugmotor ist bis heute eingebaut und gibt seine Kraft über ein speziell angefertigtes Dreigang-Getriebe auf General-Motors-Basis an die Hinterräder weiter.
Nun mit Shooting-Brake-Karosserie
Auch für Design und Produktion der neuen Karosserie wurde Fibre Glass Repairs beauftragt. Die Truppe um Designer und Konstrukteur Bob Phelps erdachte eine Mixtur aus US-Straßenkreuzer vorn und Volvo Schneewittchensarg hinten. Ein Shooting Brake, nur eben von der eher grobschlächtigen Sorte. Es waren jedoch die gestalterischen Details, die den Koloss optisch einzigartig machten. Etwa die acht Scheinwerfer, die ewig langen Überhänge oder die Lufthutzen in der vorn angeschlagenen Motorhaube und Luftauslässe in den vorderen Kotflügeln. Hinzu kommen die Sidepipes, der filigrane und geschwungene Streifen entlang der seitlichen Charakterlinie und die vier Heckleuchten, bei denen es sich um jene eines Ford Capri handelt – nur pro Seite spiegelverkehrt eingebaut.
Im Hause Rolls-Royce fanden sie es allerdings gar nicht lustig, dass ihre Nobelmarke mit diesem automobilen Machwerk in Verbindung gebracht wurde. Sogar im Fahrzeugschein wurde das Auto als Erzeugnis der Marke Rolls-Royce geführt – übrigens noch heute. Es folgte Anfang der Achtzigerjahre ein von großem Medienecho begleiteter Rechtsstreit, der dazu führte, dass es Dodd verboten wurde, den Markennamen Rolls-Royce in Kombination mit seinem Beast zu nutzen. Weil er das Urteil ignorierte und sich zudem weigerte, die ebenfalls verhängte Geldstrafe zu bezahlen, wurde Dodd sogar zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Dodd, der im Dezember 2022 im Alter von 90 Jahren verstarb, emigrierte – oder besser: flüchtete – nach Spanien, trat die Haft also nie an. Das Auto folgte kurze Zeit später; gerade noch rechtzeitig, bevor es in England seiner Rolls-Royce-Insignien beraubt oder gar beschlagnahmt werden konnte. Wann genau "The Beast" seinen nach dem Brand installierten Kühlergrill eines Rolls-Royce Silver Shadow verlor, ist nicht bekannt; hier prangten bis vor Kurzem John Dodds Initialen auf einem simplen engmaschigen Gitter. Rund um seine neue Heimatstadt Malaga soll John Dodd immer wieder Spazierfahrten mit seinem skurrilen Gefährt unternommen haben.
Neue und doch ursprüngliche Optik
Inzwischen tritt "The Beast" nicht mehr gar so martialisch auf. Der letzte Besitzer rüstete es seit der eingangs erwähnten Auktion ein Stück weit auf den ursprünglichen Zustand zurück. Die eigentlich gelbe Karosserie trägt heute eine zweifarbige Metallic-Grau-Folierung. Die Anzahl der Scheinwerfer zeigt sich nunmehr halbiert; die untere Reihe wurde gegen Lüftungsgitter ausgetauscht. Dazwischen befindet sich wieder ein Rolls-Royce-Kühlergrill samt Emily, was dem Shooting-Brake-Berserker direkt eine gewisse Noblesse verleiht. Die drei seitlichen Luftauslässe präsentieren sich nun ebenfalls vergittert.
Über technische Änderungen im Vergleich zum Zustand bei der letzten Auktion ist nichts bekannt. Für die vordere Aufhängung und die Lenkung hatte Dodd einst Komponenten eines Austin Westminster verwendet. Hinten war ursprünglich die Einzelradaufhängung eines Jaguar XJ12 eingebaut. Inzwischen sind hier jedoch eine besonders robuste Achse aus dem Regal des Spezialisten Currie, ein Gewindefahrwerk und verstärkte Antriebswellen im Einsatz. Von Jaguar stammen die vorderen Bremsen.
Der im Zuge der Restauration ebenfalls neu eingerichtete Innenraum weist eine Reihe roter Schalter auf, mit denen die Startsequenz des Merlin-V12 eingeleitet wird. Hinter den beiden Schalensitzen befindet sich ein riesiger Laderaum, wobei das gesamte Interieur mit Teppichboden ausgelegt ist. Das Armaturenbrett und das Lenkrad sind Spezialanfertigungen für "The Beast". Wobei: Was ist an diesem Auto eigentlich nicht speziell angefertigt?
Irgendwas zwischen 700 und 760 PS
Zeitgenössischen Medienberichten zufolge soll "The Beast" mit ungefähr 700 bis 760 PS gesegnet sein. Zum Vergleich: Ein aktueller Power-Kombi vom Schlage eines BMW M5 Touring kommt mehrere Jahrzehnte später ziemlich genau in diesen Bereich (727 PS Systemleistung). Kein Wunder, dass es der Oldie 1977 als leistungsstärkstes straßenzugelassenes Auto der Welt ins Guinness Buch der Rekorde geschafft hatte. Rekordverdächtig ist auch der überlieferte Spritverbrauch von 141 Litern auf 100 Kilometer. Die Höchstgeschwindigkeit soll 294,5 km/h betragen. Dodd sah seinen Zweitonner jedoch nie als Rennwagen für den Drag Strip, sondern stets als Straßenauto.
Im März 2023 kam "The Beast" erstmals in seiner langen und bewegten Geschichte frei verkäuflich auf den Markt. Das Online-Auktionshaus Car & Classic bot das Auto zur Versteigerung an und erzielte einen Preis von 72.500 Pfund, was aktuell umgerechnet etwa 82.500 Euro entspricht. Der damaligen Anzeige zufolge soll es sich in einem sehr guten Originalzustand befunden haben, fahrbereit gewesen sein und inzwischen sogar über den Segen des britischen TÜVs verfügen.
Bald startet ein anderes Auktionshaus (Historics Auctioneers) den nächsten Versuch, das Auto zu versteigern. Diesmal bei einer Live-Aktion in der Mercedes-Benz-World an der historischen englischen Rennstrecke Brooklands. Die Frage ist, ob "The Beast" in seinem neuen Outfit eine höhere Verkaufssumme erzielt als vor zweieinhalb Jahren. Historics Auctioneers rechnet mit 75.000 bis 100.000 Pfund (gut 85.300 bis knapp 114.000 Euro). Laut Anzeige liegt der Tachostand nur knapp über dem damaligen (11.000 statt 10.685 Meilen), was umgerechnet etwas über 17.700 Kilometern entspricht.