8. Sachsen Classic

IFA P3 - DDR-Geländewagen mit Horch-Genen

Bei der der Sachsen Classic sticht der IFA P3 mit seiner mattgrünen Armeelackierung  schon von weitem zwischen den Hochglanz-Fahrzeugen - zwischen Flügeltürer, Jaguar E-Type oder Horch - heraus. Und es lohnt sich, bei dem Geländewagen etwas näher hinzuschauen.

IFA P3 an der Steilen Wand von Meerane Foto: Thomas Kurz 17 Bilder

Denn schon der Blick unter die große Motorhaube offenbart eine Verwandtschaft zu dem noblen Horch 853, der ein paar Meter weiter parkt. Der Reihensechszylinder des IFA P3 geht auf eine Horch-Entwicklung aus der Vorkriegszeit zurück, wie Besitzer Lutz Heidel weiß: "Der Reihensechszylinder lag bei Horch in der Schublade, doch vor dem Krieg wurde er nicht gebaut, weil er nicht den hohen Komfort bot, für den die samtweich laufenden Reihenachtzylinder bekannt waren."

Einer der geländegängigsten Wagen wird in drei Jahren entwickelt

Mitte der 50er-Jahre sollten die Ingenieure einen neuen Geländewagen entwickeln, einen Nachfolger für den P2M. 1957 machte sich die Abteilung TK II des Kraftfahrzeug-Entwicklungswerkes in Hohenstein-Ernstthal an die Arbeit - und holte die Entwürfe aus der Schublade. Bei der Entwicklung eines Geländewagens für die Nationale Volksarmee gab es klare Vorgaben. So musste die Reichweite "vom Bereitstellungsraum der innerdeutschen Grenze bis zum Rhein" reichen, wie Riedel den Wortlaut zitiert. Das entspricht etwa 500 Kilometern - bei einem Verbrauch von etwa 24 Litern auf 100 Kilometern schafft das der P3 im Straßenbetrieb mit seinem 104 Liter-Tanks allerdings nur mit ein paar Reservekanistern.Im Geländebetrieb saugt der Reihensechser auch mal 50 Liter durch seinen Vergaser.

Neben der Reichweite stand auch eine wesentliche Verbesserung der Geländegängigkeit im Vergleich zum P2M im Pflichtenheft, zu 100 Prozent sperrbare Differenzialsperren, eine Wattiefe von mindestens 600 Millimetern und eine Dauergeschwindigkeit von 95 km/h. Außerdem mussten die Teile innerhalb des IFA-Fahrzeugbaukastens austauschbar sein. Der IFA-Vergaser verrichtet auch in Lkw seinen Dienst, die Schalter am Armaturenbrett und viele weitere Teile ebenfalls.

"Technik 1, Komfort 5"

Innerhalb von drei Jahren entwickelten die Ingenieure in Hohenstein-Ernstthal gemeinsam mit dem "Kraftfahrzeugbetrieb Objekt 37 der SDAG Wismut" (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft), einem der größten Industrieunternehmen der DDR, den P3. Am 31. Dezember 1960 konnten die ersten zehn Baumuster vorgestellt werden. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. "Der IFA P3 ist höchst geländegängig, die Vorderachse ist zuschaltbar, beide Achsen sind zu 100 % sperrbar und die Sperren können sogar während der Fahrt eingelegt werden. Alle Bauteile des Motors liegen oberhalb des Rahmens und somit sicher. Wir haben den P3 mal im Gelände gegen Mercedes G-Modell und Munga getestet – die sind keine Konkurrenz für den IFA P3", freut sich Heidel, "und der Motor des P3 läuft sogar noch, wenn das Auto auf dem Kopf liegt -  Trockensumpfschmierung und Flachstrom-Geländevergaser sei Dank."

Der Alumotor klingt wie eine MIG

Bei der Produktion waren viele VEB (Volkseigene Betriebe) beteiligt, so kamen beispielsweise die Flachstromvergaser aus der Berliner-Vergaserwerk, die Schalt-, Verteiler und Achsgetriebe wurden vom VEB Getriebewerk Joliot-Curie in Leipzig zugeliefert und die Motoren vom Typ OM 6/35 L aus dem VEB Sachsenring Zwickau. Und eben dieser Motor geht auf eine Horch-Konstruktion zurück. Das "L" steht für Leichtbau, der Motor besteht aus Aluminium. "Deswegen singt der auch so schön, es heißt, der klingt wie eine MIG", sagt Heidel.

Mehr als 10.000 Vorbestellungen lagen vor, trotzdem wurde das P3-Projekt beerdigt

Ursprünglich sollten 1961 30 Nullserien-Exemplare gebaut werden, um schon 1962/63 jeweils 3.500 P3 zu fertigen und anschließend 4.000 pro Jahr. Die optimistische Planung wurde durch die guten Resultate bei den Vorstellungen des IFA P3 bestätigt: "Die Auftragslage für den IFA P3 war sehr gut, die tschechische und die polnische Armee wollten jeweils 5.400 Exemplare des P3 bestellen", weiß Heidel. Zunächst wurde die Nullserie und die ersten Serienmodelle in Wismut gebaut, bevor die Produktion in das Automobilwerk Ludwigsfelde umzog. Die Realität sah dann allerdings anders aus. Bis 1966 liefen insgesamt rund 3.500 bis 4.000 IFA P3 vom Band. Im Laufe des Jahres wurde die Produktion komplett eingestellt, da die Sowjetunion seinerseits Geländewagen einführte. Damit war das Ende des P3 besiegelt. Heute sind noch rund 400 IFA P3 bekannt, davon sind etwa 250 im fahrbereiten Zustand.

Doch die IFA P3 überzeugten durch ihre Geländequalitäten alle, die ihn einsetzten: "Bis 1990 sind die Fahrzeuge bei den Grenztruppen gelaufen, und wenn ein Kommandeur einen P3 im Fuhrpark hatte, hat er ihn nicht wieder abgegeben", sagt Heidel, der sein Exemplar 2003 in einer Zeitungsannonce entdeckte und im Anschluss ein Jahr lang restaurierte. Der P3 wurde genau rechtzeitig zum Jubiläum "100 Jahre Automobilbau Zwickau" im Jahr 2004 fertig.

Trick 17 reichte nicht mehr

Als Lutz Heidel über seinen P3 berichtet, hört Frieder Meischner aufmerksam zu. Der Zwickauer war KFZ-Schlosser bei VEB Sachsenring und von 1961 bis 1964 bei der Fertigung beteiligt. Er weiß auch einiges aus dem Nähkästchen zu erzählen, denn er war für die Leistungsmessungen zuständig. "Der Motor kam auch beim Sachsenring P240, der großen Limousine zum Einsatz. Dafür bekam er eine schärfere Nockenwelle und einen anderen Vergaser. Trotzdem hat der Motor nie die geforderte Leistung von 80 PS gebracht." Bei den Abnahmeprotokollen musste geschummelt werden. "Trick 17 reichte da nicht mehr, wir haben zum Beispiel bei dem Prüfstand mit einer Wasserstrombremse die Gewichte ausgebaut, aufgebohrt und somit kräftig erleichtert, dann erst bekamen wir die geforderte Leistung aufs Prüfprotokoll. Und die Prüfungen wurden morgens mit der sauerstoffreichen kalten Luft durchgeführt, das brachte auch nochmal etwas."

Doch der IFA P3 von Lutz Heidel hat keine Probleme mit mangelhafter Leistung, er absolvierte viel bejubelt die Steile Wand von Meerane und den Aufstieg zum Fichtelberg. Und die Zuschauer und Teilnehmer sollten sich das interessante Fahrzeug unbedingt etwas näher anschauen und von dem begeisterten P3-Fan Lutz Heidel erklären lassen - es lohnt sich.