Brazzeltag Technik Museum Speyer

Feuer aus allen Rohren!

Hier fragt keiner nach TÜV, AU oder Feinstaubplakette, denn der Brazzeltag in Speyer (9. und 10. Mai 2015) ist der perfekte Alltags-Ausgleich für Petrolheads. Hier geht's ums Grobe: Grobe Stollen, grobe Sprüche, grobe Würste. Dabei gibt es überall nur fröhliche Gesichter und nette Leute, die eines eint: Die Liebe zu Motoren, die Technik-Faszination und die Freude am Verrückten. Und davon gibt es hier beim Brazzeltag genug bis zum Abwinken.

Brazzeltag Technik Museum Speyer 105 Foto: Kai Klauder 82 Bilder

Motoren werden malträtiert und Motörhead ist ein Witz

Wer immer noch daran glaubt, das Motörhead die lauteste Band der Welt sei, wird spätestens beim Brazzeltag eines Besseren belehrt. Dabei haben manche Teilnehmer ein ganz eigenes Verständnis von Musikerlebnis. Während auf der Bühne die "Sgt. Wilsons Army Show" aufspielt und mit ihrem Programm mehrere Dutzend Zuschauer zum Mitmachen anregt, dreht ein Motorradfahrer wahlweise den Vierzylinder seiner Fireblade oder den Einzylinder seines Großrollers ständig in den Begrenzer.

Ein paar Meter weiter rollen zwei moderne Dodge Challenger durch die Menge, ohne ihren ohnehin schon unübersehbaren Auftritt mit Gasstößen im Dreisekundentakt zu untermalen. Doch der Höhepunkt in Sachen Lautstärke sind die Vorführungen der Hubraum-Giganten und Vorkriegs-Rennwagen.

Tiefbass und Schweißausbrüche beim Dragster-Start

Bei den zahlreichen Fahrvorführungen auf dem Rundkurs kann man sich langsam an seine akustisch zu verkraftenden und körperlichen Grenzen herantasten. Wenn die Schnapsglas-Klasse mit ihren 50er-Maschinchen sägend über den Beton düsen, bleibt nach ein guter Teil der Frequenzen im nicht mehr hörbaren Bereich. Doch irgendwann ist auch das egal, denn ohne Gehörschutz wird dieser Sinn sowieso abgestellt.

Bei den Lanz-Bulldogs etwa durchfährt einen ein wohliger Schauer, weil neben dem gleichmäßigen tiefbassigen Geboller, das man in der Magengrube spürt, auch noch die Erde bebt.

Bei den Hubraum-Giganten Maybach Spezialrennwagen, Bugatti Typ 5, "Dr. Maybach", De-Dion Bouton und 200 PS Benz Grand Prix Rennwagen und anderen bleibt vor allem das Kreischen des Kompressors im Ohr - ein einzigartiges mechanisches Crescendo.

Kompressorkreischen und Hubraum-Monster

Wenn man allerdings von dem Start eines Dragsters überrascht wird, dessen Auspuffrohre nur wenige Meter weit weg sind, beantwortet das der Körper mit für Minuten vibrierenden Trommelfellen und Schweißausbrüchen. Das ist so ähnlich, als sei man auf einem Heavy-Metal Konzert, stünde direkt vor den riesigen Lautsprechern an der Bühne - nur noch dreimal lauter.

Das ultimative Hörerlebnis gibt es dann bei der Show "Feuer in allen Töpfen", denn hier starten mit Brutus, Packard Bentley "Mavis" und "Napier Bentley" gleich drei Rennwagen, die jeder Beschreibung spotten. Sie spucken tatsächlich Feuer aus ihren kurzen Auspuffrohren, malen bei jedem Gasstoß schwarze Striche auf den Asphalt und verbreiten eine olfaktorische Melange aus verbranntem Gummi, Benzin und Öl.

Würstchengrillen alá Brazzeltag

Nach der Vorführung können die drei Hubraum-Monster im Fahrerlager beim Abkühlen bestaunt werden. Unter Knistern schrumpfen sich die brüllend heißen Bauteile auf ihr Normalmaß zurück und die Reifen sind froh, dass die die Tortur überstanden haben. Schon das ist ist ein Erlebnis, für Auge, Ohr und Nase.

Christopher Williams, dem Besitzer und Fahrer des Napier-Bentley, ist das aber nicht genug. Der Petrolhead hat sich für seinen Napier einen Grill konstruiert. Ein per Kette angetriebener Drehspieß nimmt Wurst und Toast auf, die Auspuffgas und -Flammen sorgen für die richtige Temperatur. In Sekundenbruchteilen ist das Grillgut reif - und meist für den Eimer, denn die Hitze kommt spontan bei jedem Gasstoß, Wießmehlplatte und Hackfleisch-Nudel sind dann bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. Als Williams nach diesem Grillspektakel den 550 PS-24-Liter-Napier-Flugmotor abstellt, gröhlt und jubelt die Menge - das ist der Brazzeltag!

John T. Essberger und Iwan, der Schreckliche

Neben den Motorgeräten mit Rädern werden beim Brazzeltag auch die Dauerexponate mit einbezogen. So startet alle paar Stunden John T. Essberger, ein Seenotrettungskreuzer der 44m-Klasse, seine Motoren. Das Signalhorn kündet dieses Riesenspektakel an - und wenn man im Umkreis von 100 m steht, bekommt man es auch hautnah mit. Die 3 Dieselmaschinen leisten zusammen 7.200 PS - und stoßen beim Anlassvorgang vermutlich mehr Feinstaub aus, als 3.000 moderne Euro 6-LKW.

Fast auf die gleiche Leistung kommt Iwan, ein Traktor Puller mit Turbinenantrieb. Denn den Erbauern reichte nicht eine Turbine - sie bauten gleich 3 Isotov TV3 ein, die bei 15.000/min und 6,5 bar Ladedruck zusammen rund 6.000 PS liefern. Laufen die 3 Turbinen erzittern die um sie herumstehenden Bäume - und das sind keine schmächtigen Pappeln, sondern Eichen mit Stammdicken von mehr als einem Meter. 

Mitmachen und Mitstaunen

Das Schöne beim Brazzeltag: Die Besucher dürfen, können und sollen mitmachen. Sie können auf einem Lanz Bulldog eine Runde drehen, in einen der Jeeps steigen und auf dem Geländewagenparcours Manöver und Stellungen erleben, bei denen man sich fragt, wie das physikalisch überhaupt möglich ist. Oder über die Holzwippe fahren, bei der sich jeder Besucher der mag, messen kann. Es geht darum möglichst wenig Wasser zu verschütten - während er im Jeep über eine hölzerne Wippe fährt. 10 Liter schwappen in der Kiste, die auf der Motorhaube befestigt ist, mehr oder weniger hin und her. Mehr als 3 Liter sollte man nicht verschütten.

Bei allen geschriebenen Worten: die Faszination des Brazzeltags sollten alle, die mit Mobilität mehr als das pure Fortkommen von A nach B verbinden, mindestens einmal erlebt haben. Wir sehen uns im nächsten Jahr!