"Sonntagsauto"

VW Corrado, Imageträger ohne Ausdauer

Er war der Star in unserer Clique: Der VW Corrado. Er sicherte sich die Herzen der Jungs und vor jeder Disco die Blicke der Mädels. Doch sein Leben war nicht von langer Dauer.

Corrado G60 Foto: Frank Herzog 28 Bilder

Den Corrado hätte es zunächst einmal gar nicht geben sollen. Denn Anfang der 80er Jahre ging VW eigentlich auf die Suche nach einem Nachfolger für die 2. Generation des Scirocco. Die 3. Generation sollte auf der Basis des Golf II entwickelt werden, weniger verbrauchen, aber gleichzeitig mehr Komfort bieten. Und als wäre das für die Ingenieure damals nicht Herausforderung genug gewesen, forderte der Vertrieb auch noch eine kostengünstigere Produktgeneration als die Aktuelle.

Corrado sollte das VW-Image prägen

Relativ schnell war klar, dass die vorgegebenen Kosten- mit den Preisrelationen nicht vereinbar waren. Ende 1984 beschloss VW daher, den ursprünglich geplanten Scirocco-Nachfolger ab 1988 – deutlich höher positioniert – auf den Markt zu bringen und den Scirocco der 2. Generation weiterhin anzubieten. Intern taufte man den neuen Sportwagen und Technologieträger vorläufig mit dem Projektnamen Taifun. VW hatte somit beschlossen, einen waschechten Sportwagen und einen sportliches Einsteiger-Modell auf dem Markt zu platzieren. Das neue „Hochtechnolgie-Fahrzeug soll dabei in erster Linie die Image-Prägung für die Marke VW übernehmen,“ verdeutlichte VW damals. Der Corrado war geboren und Karmann übernahm auch bei ihm die Produktion.

Der VW Corrado bekam den 1,8-Vierzylinder unter die Haube gesetzt, der erstmals 1972 im Audi 80 vorgestellt wurde. Jedoch konnte der leicht nach hinten geneigte Langpleuelmotor das 2+2-sitzige Sportcoupé nicht allein zu stattlichen 160 PS treiben. Das Zünglein an der Waage war der G60-Lader. Der mechanisch, über einen breiten Kunststoffriemen angetriebene Kompressor sorgte beim Fronttriebler gemeinsam mit dem GTI-Motor für ein maximales Drehmoment von 225 Nm bei 4.000 U/min. Somit war der Corrado bei seiner Einführung der stärkste bis dahin gebaute Volkswagen und fast genauso leistungsstark wie der damals schwächste Porsche 944. „Von jedem Punkt zwischen 1.500 und 6.300 Umdrehungen geht es bei Vollgas mit einer fast unerbittlichen Gleichmäßigkeit voran“, stellte auto motor und sport 1988 fest.

Im Aussehen bricht der VW Corrado mit der eher weichen Linie des Scirocco II und zeigt sich als markantes, sehr kompaktes Coupé mit einer Länge von knapp über 4 Metern. Eine Besonderheit war der automatisch ausfahrende Heckspoiler, der sich ab 120 km/h aufstellte und so den Abtrieb verbessern sollte. Im Innenraum erkannte man, aufgrund der Wirtschaftlichkeit, in Teilen den neuen Passat wieder. Auf diese Weise ließ sich ein hochwertiges und gleichzeitig preiswertes Interieur gestalten. Auf der Rückbank konnten zwei Mitfahrer bequem in üppig ausgeformten Sitzen Platz nehmen. Zudem war die Serienausstattung mit ABS, Servolenkung, höhenverstellbaren Sportsitzen, Nebelscheinwerfern, grüner Color-Wärmeschutzverglasung und elektrisch einstellbaren und beheizten Außenspiegel für die damalige Zeit sehr umfangreich.

G60-Lader entpuppte sich als Spielverderber

Aber bekanntlich ist ja nicht alles Gold, was glänzt. Und so ereilte den G-Lader bald der Ruf eines Spielverderbers. Entgegen den Erwartungen von VW zeigte sich der Kompressor, in dessen G-förmigem Hohlraum die Verdichtung der Luft stattfindet, als relativ reparaturanfällig. Abhängig von Drehzahl und Laufleistung verschlissen konstruktiv bedingt unterschiedliche Bauteile des Laders, was teilweise bis hin zur Zerstörung des G-Laders führte. auto motor und sport hatte 1989/90 beim VW Corrado G60 als Langzeittestwagen zwar keine Probleme mit dem G-Lader, jedoch bemängelten die Tester die langen Inspektionsintervalle von 30.000 Kilometern. „Die vielen Störungen dazwischen zeigen, dass weitgespreizte Werkstattintervalle nicht zwangsläufig auch lange Werkstatt-Abstinenz bedeuten.“ Und so kam auto motor und sport 1990 zu dem Fazit, dass der Corrado zwar Freude beim Fahren bringt, aber auch jede Menge Nerven kostet.

Erst 3 Jahre später legte VW neue Motoren für den Corrado nach. Im Zuge der Modellpflege kamen 1991 der 2,0-Liter-Vierzylinder (16V) mit 136 PS und der 2,9-Liter-Sechszylinder (VR6) mit serienmäßigem elektronischen Sperrdifferential EDS und 190 PS. Für letzteres Aggregat musste der Vorderwagen des VW Corrado erweitert und umkonstruiert werden sowie unter anderem ein neuer Querträger montiert werden.

Nach nur 7 Jahren ist der Corrado Geschichte

Während 1992 die 2. Generation des Scirocco ohne direkten Nachfolger eingestellt wurde, bekam der VW Corrado ein neu gestaltetes Interieur. Ein weiteres Jahr später ersetzte VW den G60 durch den 2,0-Liter-Benziner 8V mit 115 PS, was aber nichts mehr daran änderte, dass die Absatzzahlen des Corrado stetig sanken. 1995 zog Volkswagen den Stecker und stellte die Produktion des Corrado nach rund 98.000 verkauften Exemplaren ein.

Der Star aus unserer Clique fiel ebenfalls dem G-60-Lader zum Opfer. Sein Besitzer konnte sich bis vor ein paar Jahren nicht von seinem VW Corrado trennen und parkte ihn, gut eingedeckt, in der Garage. Es war eine Art Streichelzoo für die Seele – als Erinnerung an den besten Kompromiss aus Sportlichkeit und Nutzwert.