Porsche 911 Carrera GTS im Test

Nie endende Drehfreude

Mehr Leistung, breitere Spur, spezielle Auspuffanlage: Im Heck der neuesten 911-Carrera-Variante ist der Teufel los – und es dürfte die letzte mit einem Saugmotor sein. Also ab mit dem 430 PS starken Porsche 911 Carrera GTS zum ausführlichen Einzeltest.

Porsche 911 Carrera GTS, Heckansicht Foto: Hans-Dieter Seufert 18 Bilder

Unfug! Blödsinn! Blasphemie! Die intellektuelle Qualität der Kommentare fiel recht unterschiedlich aus, die Aussage jedoch blieb: Den Porsche 911 Carrera GTS mit dem alten GT3 aus der 997-Baureihe vergleichen? Jenem nach wie vor auf allen Rennstrecken dieser Welt präsenten Leichtgewicht? Und überhaupt: Ist es nicht das Wesen des Einzeltests, nun ja, eben ein Einzeltest zu sein? Stimmt. Aber irgendein Vergleich wabert dabei immer zumindest zwischen den Zeilen durch. Und ganz ehrlich: Die Verve, mit der der neue GTS durch die einzelnen Disziplinen des Messprogramms pfeffert, legt es durchaus nahe, nicht allein aufzuzählen, ob und wie er seine Basis, den Carrera S, aussticht. Was den Antrieb betrifft, liegen die diesbezüglichen Erwartungen nicht allzu hoch: nahezu identisches Drehzahlniveau, unverändertes Drehmoment, na, und eben 30 PS mehr.

Nie endende Drehfreude

Sobald allerdings das 3,8-Liter-Triebwerk des Porsche 911 Carrera GTS läuft, so ein kleines bisschen unrund im Leerlauf scharrt, verschieben sich die Prioritäten. Denn dann wartet der große Saugmotor-Genuss, die pure Lust an Drehvermögen und Ansprechverhalten. Ja, sie ist ungeachtet der Brillanz moderner Turbotriebwerke ungebrochen – und zugleich das Zentrum des 911-Wesens. Schon beim ersten Gasstoß kommt die Befürchtung auf, dass der Sechszylinder-Donnerbolzen einfach ohne den Rest-Carrera nach vorne hüpft. Unbändige Freude über jeden Gasstoß, prompte Reaktion, und dann Drehzahl: 4.000, 5.000, 6.000, 7.000 und weiter.

Nie reißt die Drehfreude ab, zu keiner Zeit. In jedem Bereich arbeitet das Triebwerk hellwach und gelöst, schmatzt, wenn der rechte Fuß kurz vom Gas muss, schnorchelt, wenn er wieder draufsteht. Mehr noch: Durch die an den Leistungskit gekoppelte Sportauspuffanlage posaunt der Porsche 911 Carrera GTS die Lust an der Leistung lautstark hinaus, grollt, brüllt, um letztlich orgiastisch zu schreien, dort oben, kurz vorm Begrenzer bei 7.800 Umdrehungen. Daran wird man sich erinnern, wenn Porsche den Carrera in nicht allzu ferner Zeit auf Turbomotoren umrüstet. Aber lassen wir das.

Was sagt denn nun das GPS-Messgerät? Ach so, ja, stimmt, der Einzeltest. Der Porsche 911 Carrera GTS löst beim Sprint von null auf 100 km/h das Versprechen seines Herstellers ein, benötigt dafür 4,0 Sekunden – mit freundlicher Unterstützung des flinken Doppelkupplungsgetriebes. Damit unterbietet er die S-Variante also um ein Zehntel. Sack, Reis, China und so. Und dann wäre da ja noch der alte GT3, der benötigt ebenfalls glatte vier Sekunden, obwohl 109 Kilogramm leichter, aber eben mit manuellem Schaltgetriebe. Der GTS beschleunigt unterdessen munter weiter, ist in 13,4 Sekunden auf 200 km/h, gibt so dem GT3 ein bisschen Ehre zurück, das S-Modell benötigt 14,5 Sekunden.

Porsche 911 Carrera GTS mit breitere Spur hinten

Und wo kommen die Zusatz-PS eigentlich her? Natürlich trägt die geradezu versaut klingende Sportabgasanlage durch reduzierten Staudruck dazu bei. Darüber hinaus erhöhten die Ingenieure in Weissach den Ventilhub von 11,0 auf 11,7 Millimeter und überarbeiteten das Ansaugsystem des Direkteinspritzers. Zu sehen bekommen GTS-Kunden das Prachtstück nicht, es bleibt bei der schamhaften Serviceklappe im nun überhaupt nicht mehr schamhaften Heck des Elfer, schließlich trägt der Porsche 911 Carrera GTS die dicken Backen des aktuellen GT3 und der Allradmodelle. Das bedeutet vor allem eine um 44 mm breitere Spur hinten. Zusätzlich steckt im Testwagen noch das optionale Sportfahrwerk mit 20 mm tiefergelegter Karosserie (Serie: minus 10 mm), adaptive Dämpfer spendiert Porsche jedem GTS.

Neben geänderten Federraten im Porsche 911 Carrera GTS gehen mit der Option größere sowie härtere Stabis einher (vorne: 28,8 x 4 statt 26,8 x 4 mm, hinten: 24,2 x 4,2 statt 23,6 x 3,5 mm), zudem ändert sich dabei der maximale Winkel des elektrisch ausfahrenden Heckspoilers. Der Aufpreis: 821 Euro. Und 10 Cent. Um jedoch wirklich auf Nummer sicher zu gehen, steckt unter Blech noch die automatische Wankstabilisierung PDCC, der Testwagen ist also bis an die Zähne bewaffnet, um wirklich jedem Vergleich standzuhalten – macht nochmal 3.213 Euro obendrauf.

An dieser Stelle wird es also schwer mit einem Vergleich. Gut, dass der Porsche 911 Carrera GTS mitten im Einzeltest steckt, einer Art Momentaufnahme dieses spezifischen Modells S-GO 4023. Und da Fahrdynamik nicht ausschließlich eine Frage des richtigen Fahrwerks ist, noch ein paar Worte zum Arbeitsplatz. Selbst wenn Porsche den GTS mit einer Wagenladung Alcantara tapeziert, noch ein paar rote Fäden als Kontrastnähte durchs Cockpit zieht, verdient die Basisergonomie das größte Lob. Wie jeder Elfer passt der GTS einfach. Die Sitzposition: tief, zentral, mittendrin irgendwie. Der Sitz selbst: perfekt, aber eben auch optional. Die Instrumentierung: umfangreich. Das Raumgefühl: licht, aber nicht uferlos. Den Elfer rufen eben nicht nur breite Rennstrecken, sondern auch schmale Landstraßen. Hier wie dort erweist sich der 911 als hervorragende Auf-den-Punkt-Fahrmaschine, ein bisschen mehr noch als die anderen Carrera.

Porsche 911 Carrera GTS kommt mit 20-Zoll-Reifen

Arbeitet das Fahrwerk im Normal-Modus, fegt der Porsche 911 Carrera GTS mit spürbarer Agilität um die Hochachse durch Kurven, wirkt sehr lebendig, bleibt dennoch sehr neutral, lässt nur minimale Karosseriebewegungen zu. Jede Kurve lässt sich millimetergenau – na, lassen wir das „milli“ lieber weg – anbremsen, der Einlenkimpuls wird unverzüglich, nicht aber hitzköpfig umgesetzt. Bei aller Dynamik fasziniert zugleich die Ruhe, die der Elfer vermittelt. Zappelige Lenkung? Leistungsspitzen? Bolzige Abstimmung? Ach was. Erst der Sport-Modus verschiebt den Charakter, erweist sich auf öffentlichen Straßen meist als eine Spur zu wild, raubt dem Carrera seinen an sich sehr ordentlichen Federungskomfort.

Dafür wiederum knallt er damit durch jegliche Pylonenformation in Topzeit. Kein Wanken, kein Rollen, höchste Steifigkeit, Präzision, Traktion, alles umgewandelt in Speed, viel davon. Statt 20-Zoll-Reifen scheinen 20-Zoll-Stahlkanten in den Kotflügeln zu stecken, mit denen sich der Porsche 911 Carrera GTS in die Piste schneidet, in der Kurve den Druck darauf leicht erhöht, um so noch schneller zu werden. Die Messwerte? Ein Blick nach rechts genügt. Den Carrera S jedenfalls hat er längst abgehängt. Ja, und den GT3 auch, wenngleich nicht in allen Disziplinen, aber nahe dran ist er immer. Von wegen Unfug, Blödsinn, Blasphemie.

Reicht nicht vielleicht doch ein Carrera S?

Blöde Frage, natürlich tut er das. Für die Elfer-Gaudi reicht sogar ein handgeschaltetes Basismodell. Der Porsche 911 Carrera GTS rechtfertigt seine Existenz allerdings mit einer nochmals höheren Fahrdynamik, der Vorsprung bei der Beschleunigung wirkt eher überschaubar. Wer sich also ein S-Modell entsprechend aufrüsten möchte, zahlt 7.360 Euro mehr – ohne die GTS-spezifische Breitbau-Optik und die damit verbundenen Fahrwerksmodifikationen.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • hohe Steifigkeit
  • penible Verarbeitung
  • ausführliche Instrumentierung
  • gutes Platzangebot vorn
  • lichtes Raumgefühl
  • teils umständliche Bedienung
  • kleiner Kofferraum
  • Fond weder für Passagiere noch Gepäck geeignet
  • mäßige Übersichtlichkeit
Fahrkomfort
  • hervorragende Sitze
  • guter Federungskomfort
  • große Spreizung der einzelnen Fahrmodi
Antrieb
  • drehfreudiger Motor
  • exzellentes Ansprechverhalten
  • alltagstaugliche Leistungscharakteristik
  • kurze Schaltzeiten des PDK
Fahreigenschaften
  • ausgeprägte Agilität
  • präzise Lenkung
  • hoher Grenzbereich
  • sehr gute Traktion
  • neutrales Eigenlenkverhalten
Sicherheit
  • standfeste, exakt dosierbare und gut verzögernde Bremsanlage
  • penibel abgestimmtes ESP
Umwelt
  • niedriger Verbrauch
  • akzeptable Emissionswerte
Kosten
  • attraktiver Aufpreis gegenüber einem vergleichbaren S-Modell
  • voraussichtlich hohe Wertstabilität
  • lange Aufpreisliste
  • hohe Kosten für Extras

Fazit

Dass der Porsche 911 Carrera GTS bei der Agilität den S aussticht, war zu erwarten. Dass er jedoch auf dem Niveau des 997 GT3 umhertobt, nicht. Dabei behält der neueste Elfer seinen Nutzwert. Und Emotionen? Was für eine Frage!