Porsche 911 Carrera S im Test

Schaltgetriebe als Genuss-Mechanik

Wer seinen Porsche 911 Carrera S mit Handschaltung ordert, bekommt wie beim Doppelkupplungsgetriebe sieben Gänge serviert. Bedeutet das nun mühevolles Sortieren oder knackigen Spaß samt direktem Ansprechverhalten?

Porsche 911 Carrera S, Frontansicht, Slalom Foto: Hans-Dieter Seufert 42 Bilder

Es gibt keinen vernünftigen Grund, den Porsche 911 Carrera S mit Handschaltgetriebe zu wählen. Es gibt aber auch keinen vernünftigen Grund, überhaupt einen 911 zu fahren. So wie es keinen zwingenden Grund gibt, Sex zu haben, außer um sich zu reproduzieren. Obwohl: so ein schlanker, leicht gebräunter Rücken, an dem ein paar Schweißperlen herunterlaufen, nur leicht von den feinen Härchen gebremst, während man mit den Fingerspitzen behutsam die Höcker der Wirbelsäule nachfährt ... Das ist Handschaltung.

Womit wir wieder beim Porsche 911 Carrera S wären. Lassen Sie sich nichts von den Automatensüchtigen, den Paddeldaddlern erzählen. Wir Genießer verstehen uns, oder? Ob Freilaufsirren am Fahrrad oder Nadeleinfädeln in die Vinylrille – Mechanik hat was. Ungeachtet der Tatsache, dass Musik vom Server endlos dudelt, Pedelec-Biker nie schwitzen und Automatikgetriebe den linken Fuß zur Ruhe setzen.

Schaltgetriebe spart 3.510,50 Euro und 24 Kilogramm

Aber sollte ein Auto nicht drei Pedale haben? Nun, wer sich bei einem Porsche 911 Carrera S dafür entscheidet, spart erstmal: Zum einen 3.510,50 Euro für das Doppelkupplungsgetriebe PDK. Zum anderen 24 Kilogramm kurz vor der Hinterachse. Wiegt das Siebengang-Schaltgetriebe inklusive serienmäßiger mechanischer Quersperre 96 Kilogramm, sind es beim PDK samt dessen elektronisch gesteuerter Quersperre zirka 120 Kilogramm. Ein Umstand, der den Schwerpunkt nach Porsche-Berechnungen neun Millimeter weiter nach hinten verlagert. Ganz ehrlich, davon haben wir bei unserem handgeschalteten Porsche 911 Carrera S nichts gemerkt. Er fährt erwachsen, fast unbeirrbar und enorm schnell auf Parcours und Straße. Der lange Radstand, die breitere Spur und die komfortablere Auslegung des Fahrwerks mit Adaptivdämpfern lassen das 400 PS starke Coupé unverschämt zügig über jedwede Pistenqualität von der Kreisstraße bis zur Autobahn flitzen.

Zu wenig Gefühl? Quatsch. Dafür sorgt schon die unmittelbare Anbindung des Gasfußes an den 3.800 Kubikzentimeter großen Boxer, wo das PDK immer noch eine klitzekleine Verzögerung einbaut – hier springt der Sechszylinder direkt ans Gas. Das hätte dem guten Ferry Porsche („Wenn man draufdrückt, muss er schießen“) gefallen. Endlich kann man im Porsche 911 Carrera S Sport Plus für besonders prompte Gasannahme wählen, ohne die beim PDK zwangsgekoppelte, für den Straßenbetrieb absurde Getriebelogik mit niedrigen Gängen und hohen Drehzahlen selbst bei konstanter Fahrt aufgedrückt zu bekommen.

400-PS-Heckmotor-Sportler verdient Konzentration

Andererseits laufen Gangwechsel über die aufpreispflichtigen Schaltpaddel schneller, und beide Hände können am Lenkrad bleiben. Auch der Sprint auf 100 km/h geht ein paar Zehntel flotter. Mit 4,9 Sekunden verfehlt der Handschalter hier die Werksangabe um 0,4 Sekunden, während ein zuvor gemessener Porsche 911 Carrera S mit PDK und Launch-Control mit 4,1 Sekunden seine Werksangabe trifft.

Die Enttäuschung darüber weicht jedoch purer Freude beim Tollen auf der Landstraße. Leicht fährt der Hebel auf kurzen Wegen durch die Gassen, könnte vielleicht noch einen Tick knackiger geführt sein. Speziell beim Herunterschalten fordert er dabei jene Konzentration ein, die ein 400 PS starker Heckmotor-Sportwagen grundsätzlich verdient. Das fördert die Auseinandersetzung mit seinem Charakter: Ab wann läuft der Boxer rund, bei welchen Drehzahlen schalten seine Verstellelemente um, wann stellen die Klappen des Sportauspuffs auf Durchzug? Topspeed schafft der Porsche 911 Carrera S schon im Sechsten, der Siebte ist ein moderater Schongang, der die Drehzahl um gut 1.000/min senkt, ohne zur Spaßbremse zu werden.

Porsche 911 Carrera S kann nicht beiläufig gefahren werden

Gut so, denn den Porsche 911 Carrera S beiläufig zu fahren, ihn automatisch schalten lassen, wie es rund 90 Prozent seiner Besitzer tun, ist wie Barolo auf Ex kippen. Wahrer Genuss kommt erst mit intensiver Auseinandersetzung. Wie schön ist es, sich Gedanken über den passenden Gang zu machen, vorauszuschauen, sich über eine gelungene Kurvenkombination, die jeweils passende Drehzahl zu freuen. Zu spüren, wie sich das Zusammenspiel verinnerlicht.

Dennoch fragen wir uns gemeinsam mit den Gusseisernen, ob sowohl die normale als auch die etwas affige farbige zweite Ganganzeige mit Schaltempfehlung überflüssig sind. Um danach bei konstanter Fahrt mit ganz leichtem Druck aufs Pedal die Gassäulen im Auspuff zu modulieren, selig dem Säuseln, Gurgeln, Sägen, Brummen und Schnattern zu lauschen. Klingt verblendet? Nein, nur begeistert. So wie von der gelben Lackierung, den dunklen 20-Zoll-Rädern, dem hellgrauen Leder, den belüfteten Sportsitzen, dem Burmester-Soundsystem und dem Schiebedach, die beim Testwagen toll harmonieren. Resümee: PDK ist praktischer, vielseitiger, macht schneller, und den Aufpreis egalisiert der bessere Wiederverkauf. Intensiver und genussreicher ist der Porsche 911 Carrera S aber mit Schaltgetriebe.

Vor- und Nachteile

  • sehr gute Fahrleistungen
  • prompt ansprechender, drehfreudiger Saugmotor mit homogener Kraftentfaltung
  • exaktes Siebenganggetriebe
  • agiles, neutrales Handling
  • präzise Lenkung
  • kräftige und standfeste Bremse mit transparentem Pedalgefühl
  • guter Federungskomfort
  • angemessener Verbrauch
  • hohes Kostenniveau
  • erfordert Konzentration, speziell beim Herunterschalten