Interview mit Ex-Bürgermeister Ole von Beust

Beust gegen „fragwürdige Parkplatzvernichtung“

Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Ole von Beust kritisiert im Interview mit auto motor und sport, dass Parkplätze in Städten oft ohne nachvollziehbaren Grund wegfallen, und plädiert für Park-Apps. Er warnt vor Schikane und Protestwählern.

Ole von Beust Foto: Getty Images 60 Bilder
Finden Sie es in Hamburg leicht, einen Parkplatz zu finden?

In der Innenstadt ist es schwierig bis ausgeschlossen, einen Straßenparkplatz zu finden. In den Wohngebieten ist es unterschiedlich. In den citynahen Gegenden ist es zu bestimmten Zeiten problematisch. Es kommt also drauf an, wo, aber einfach ist es nicht.

Fahren Sie eher Auto oder Bahn?

Ich fahre relativ selten Auto, weil ich in der Nähe einer U-Bahn-Station wohne. Bei kurzen Fahrten hole ich den Wagen nicht jedes Mal umständlich aus der Garage, sondern nutze oft Carsharing, weil es unglaublich praktisch ist. Wenn ich mal das Auto nehme, muss ich wirklich Zeit einplanen. Neulich waren es bei drei, vier Kilometern von mir zu Hause in die Stadt inklusive Parkplatzsuche in der Innenstadt 40 Minuten. Das muss man einplanen.

Haben wir zu viele Autos oder zu wenig Parkplätze?

Zu sagen, man habe zu viele Autos, fände ich bevormundend. Jeder sollte selbst darüber entscheiden, wie er Mobilität versteht. Eine politische Vorgabe oder Obergrenze für die Anzahl der Autos darf es nicht geben. Bei den Parkplätzen muss man es differenziert sehen. Ich glaube, im innerstädtischen Bereich gibt es zu wenige Parkplätze für Kunden, die dort einkaufen oder etwas transportieren müssen. In den Wohngebieten ist es unterschiedlich. Das Anwohnerparken halte ich für vernünftig. Es ist aber teilweise etwas pauschal, weil nicht immer differenziert wird, welches oder wie viele Autos man hat. Dass so viele Autos in den Straßen herumstehen und das nicht besonders schön ist, sehe ich auch. Es erhöht ja nicht die Aufenthaltsqualität, wenn überall Autos herumstehen. Man muss da einen Ausgleich, einen Konsens finden. Den bekommt man nur hin, wenn es nicht schikanös ist. Wir aber haben eine teilweise fragwürdige Parkplatzvernichtung und das führt zu einer Konfrontation, die für das gesamte Klima nicht gut ist.

Was meinen Sie mit fragwürdig?

Bei mir in der Nachbarschaft muss an einer Stelle jetzt längs statt quer geparkt werden, um beim Rausfahren aus der Lücke keine Radfahrer zu gefährden. Das ist vordergründig richtig. Allerdings gibt es hier ohnehin viele Hausbesitzer, die von ihrem Grundstück rückwärts rausfahren müssen und dabei ist noch nie etwas passiert. Es ist also ein rein hypothetisches Argument, zumal drei Straßen weiter im Nachbarbezirk das Querparken erlaubt ist. So etwas empfinde ich als schikanös und das ist kein Einzelfall. Besser sind ausgewogene Lösungen.

Zum Beispiel Quartiersgaragen?

Diese Idee finde ich vernünftig. Niemand hat einen Anspruch darauf, dass der eigene Wagen direkt vor der Haustür steht. Das wäre in der Großstadt gar nicht durchführbar. Eine Quartiersgarage, die etwa zehn Gehminuten entfernt ist, fände ich angemessen. Dass die nicht gebaut werden, aber gleichzeitig Parkplätze weggenommen werden, ist eine Veräppelung der Leute.

Vielerorts wird heftig um die Abschaffung von Parkplätzen gestritten. Ist das schon eine Art Verteilungskampf?

Ein wenig ist es das sicher. Wobei ich finde: Gerade citynahe Lagen leben von einer guten Aufenthaltsqualität, man muss sich da wohlfühlen. Zum Beispiel durch Kunst, Musik, Kultur oder Begegnung. Dazu kann ich auch Flächen nehmen, die vorher Parkplätze waren. Aber man darf es nicht so machen wie in der Friedrichstraße in Berlin, wo ich ein Büro habe. Da wurde die Straße für Autos dicht gemacht und dann standen da billigste Holzmöbel, die von Wind und Wetter schnell zersplittert wurden. Die Aufenthaltsqualität war gleich null und nicht höher, als wenn dort Autos geparkt hätten. Autos zu verbannen, ohne die Aufenthaltsqualität zu verbessern, ist wieder Schikane. Damit schaffe ich keinen Konsens, der notwendig ist, um die Probleme zu lösen.

Wo sehen Sie beim Thema Parken noch Verbesserungs- und Digitalisierungspotenzial?

Es ist wichtig, zunehmend auch Parkhäuser in digitale Lösungen einzubeziehen. Oder zum Beispiel Supermarkt- oder Behördenparkplätze, die man abends öffnen könnte für Anwohner oder Besucher. Es geht ja auch um wirtschaftliche Fragen. Es gibt inzwischen Viertel, in denen Handwerker mit ihren Fahrzeugen nicht zu ihren Kunden kommen. Und die Situation des Einzelhandels ist mittlerweile so dramatisch, dass man sich Lösungen einfallen lassen muss. Das erfolgt in manchen Städten beispielsweise durch die Verbindung von Einzelhandel und Parking-Apps oder auch durch digitale Sondergenehmigungen für Handwerksbetriebe. Wir brauchen flexible Lösungen, die auch ökonomische Interessen berücksichtigt.

Welche Innovationen werden wir erleben, die den guten alten Papierparkschein überflüssig machen?

Die eigentliche Innovation begann ja mit der Plattform Smartparking, deren Vorstand ich bin. Wenn die Städte beim Parken übers Smartphone mitmachen, muss niemand mehr einen Parkschein ziehen. Das hat viele Vorteile, weil ich nur die Zeit bezahle, die ich auch tatsächlich bleibe. Und auch das Nachschmeißen bei Wind und Wetter, immer passende Münzen zu haben – auf all das kann man verzichten, wenn die Städte es anbieten. Meine Hoffnung ist, dass über die Großstädte auch mittlere und kleine Städte vermehrt digitales Parken anbieten und dass das Angebot größer wird. Ich glaube, dass wir schon in ein paar Jahren überwiegend digitale und weniger Papierparkscheine haben werden.

Welche Vorbehalte hören Sie noch, wenn Smartparking mit Gemeinden über digitales Parken verhandelt?

Das Erste ist immer: Das haben wir noch nie so gemacht. Das Zweite: Wie soll das kontrolliert werden? Dann muss man klarmachen, dass der Ordnungsdienst das ganz einfach mit dem Smartphone kontrollieren kann. Und das Dritte ist eigentlich immer der Datenschutz wegen der Kennzeichen. Aber das ist zigmal von Datenschutzbeauftragten geklärt. Und wenn man diese Hürden genommen hat, bekommt man es eigentlich auch hin. Das ist einfach nur eine Frage der Zeit. Am Anfang war es schwierig, aber inzwischen sind mehr als 320 Städte und Gemeinden dabei.

Hamburg hat schon vor Jahren die Pflicht abgeschafft, für Neubauten einen Pkw-Stellplatz nachzuweisen. Aber werden deshalb weniger Autos angeschafft?

Ob sich jemand ein Auto kauft oder nicht, hängt von anderen Faktoren ab. Es hängt sehr vom Einzelfall ab, man kann das nicht pauschal sagen. Im Moment haben wir das Problem, dass zu wenige Wohnungen gebaut werden und die Stellplatzkosten erhöhen die Baukosten ja noch einmal. Da finde ich es wichtiger, dass Wohnungen gebaut werden – auch ohne Stellplätze.

Was hat Sie dazu bewogen, sich nach dem Amt als Erster Bürgermeister Hamburgs dem Thema Parken zu widmen?

Verkehr ist ein Thema, das unglaublich viele Emotionen weckt. Wenn ich Auto fahre, ärgere ich mich über Fußgänger und Radfahrer. Wenn ich zu Fuß gehe, ärgere ich mich über Fahrräder und Autos und so weiter. Wenn diese Emotion dazu führt, dass die Leute immer aggressiver werden, kann über den Verkehr ein gesellschaftliches Problem entstehen. Und das erleben wir ja teilweise auch, dass die Wut, der Ärger und das Gefühl, schikaniert zu werden, zu groß wird, dass die Leute Protest wählen. Und wenn man hier digitale Lösungen findet, um pragmatisch Probleme zu lösen, ist das auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Dieses Thema hat mich neben dem ökonomischen gereizt.

In unserer Bildergalerie zeigen wir die Fahrzeuge, die zu schwer für den Gehweg sind.